0065 - Gefangen in der Mikrowelt
starb, dann sollte es den Dämonen gefallen, und sie sollten ihre Freude daran haben.
War der Zeitpunkt nun erreicht?
Der Spiegel verschwand. Ich atmete auf.
Dann fragte Belphegor: »Wie ist es, Sinclair, fühlst du dich gut als Würmling?«
Ich verkniff mir eine Antwort, denn ich gönnte ihm keinen Triumph. Nicht Belphegor und nicht dem Schwarzen Tod.
Er lachte, und dieses Gelächter dröhnte mir wie Donnerhall in den Ohren. »Was glaubst du, Sinclair, welche Späße wir für dich noch bereithalten?«
Wieder schwieg ich, denn ich besaß genügend Phantasie, um mir ausmalen zu können, was mit mir geschah.
Ich verdrängte diese Gedanken. Sie würden früh genug auf mich zukommen.
Noch war alles harmlos…
Belphegor beugte sich weit über mich. Ich mußte ihm ins Gesicht starren. Seine kalten, gnadenlosen Augen kamen mir vor wie zwei riesige Seen. Der Mund war ein dicker Spalt in seinem glatten Gesicht, und als sein Atem mich traf, hatte ich das Gefühl, von einem Windstoß berührt zu werden.
Ich rollte zur Seite.
Dann kam seine Hand. Er hielt sie über mich, spreizte die Finger.
Ich atmete schneller.
Diese riesige Hand flößte mir Angst ein. Sie erinnerte mich an einen Fall, der fast zwei Jahre zurücklag und mich auf einen Rummelplatz geführt hatte. [4]
Dort tauchte auch eine riesige Hand auf.
Ich bekam Atembeschwerden. Es war die nackte Angst, die mir so fürchterlich zusetzte. Wenn Belphegor sie jetzt fallen ließ, dann würde er mich zerquetschen.
Er tat es nicht, sondern ballte die Hand zur Faust.
»Damit, Sinclair«, flüsterte er, »wollte ich dich töten. Nun aber habe ich mir etwas anderes ausgedacht. Alle deine Feinde sollen sehen, was aus dir geworden ist, und alle Feinde repräsentiert ein Dämon. Mein Freund, der Schwarze Tod. Ihn werde ich dir auf dem Silbertablett servieren, wie es so schön in einer Umschreibung heißt. Und er wird sehen, wie hilflos du bist.«
Ich glaubte dem Kerl aufs Wort. Die Freude des Schwarzen Tods konnte nicht größer sein, als mich völlig hilflos zu erleben.
Es war sein Sieg, sein Triumph. Ich hatte verloren.
Und das ließ mich Belphegor spüren. Er krümmte seinen Zeigefinger und stieß mich an.
Ich wurde herumgerollt. Er stieß weiter und wollte sich dabei halb totlachen.
Wenn er es mal täte, dachte ich, während ich gleichzeitig die Zähne zusammenbiß, um vor Wut nicht laut loszuschreien.
Endlich kam ich zur Ruhe. Ich hob meinen Kopf an, schaute nach vorn und bekam einen Schreck.
Ich lag an der Kante der Trage. Und schaute in eine gähnende Tiefe.
Ein normaler Mensch hätte bei dieser Distanz nicht einmal müde gelächelt, mir aber kam die Tiefe so unauslotbar vor, daß ich anfing zu frieren. Irgendwo unter mir mußte sich der Boden befinden. Nur sah ich ihn nicht.
Ein schreckliches Gefühl.
»Angst?« hörte ich Belphegors Stimme.
Ich schwieg.
Er lachte wieder, und seine Zwerge stimmten mit ein. Ihnen machte es auch Spaß, einen Menschen leiden zu sehen. Schließlich waren sie selbst klein und wurden von anderen belächelt. Eine fast natürliche Reaktion.
Belphegor hob mich hoch. Ich hing zwischen zwei Fingern, Seine Hand wanderte eine Idee weiter, so daß ich über dem Abgrund schwebte. »Was meinst du, was geschieht, wenn ich dich jetzt fallen lasse?« höhnte er, und sein Atem blies mir ins Gesicht.
»Dann werde ich mir alle Knochen, brechen«, erwiderte ich mit lauter Stimme, wußte aber, daß es nur ein Piepsen war. Wenigstens für Belphegor.
»Ja, das würdest du«, sagte er. »Aber ich bin nicht so. Ich lege dich zurück, du Wurm.«
Ich rollte wieder auf die Liege. In der Rückenlage blieb ich liegen, hatte die Augen weit aufgerissen und starrte in sein Gesicht.
»So«, sagte Belphegor, »genug des Spiels. Jetzt wird es langsam Ernst, John Sinclair. Du mußt dich in deiner Welt bewähren. Überlebst du, um so besser für dich. Gehst du unter, hast du Pech gehabt. Es kommt jetzt nur auf dich an, Freund…«
Freund hatte er mich genannt. Ein Hohn, eine Lästerung…
Belphegor fuhr fort. »Und denke immer daran, daß wir dich töten können.«
Ja, daran dachte ich. Ich war in ihrer Hand. Sie konnten mit mir machen, was sie wollten. Und es lag an ihnen, wann, wo und wie sie mich umbrachten.
Am meisten hatte ich Angst vor der Verbannung in die Unendlichkeit. Als »Strandgut« zwischen den Dimensionen zu treiben, im Mahlstrom der Unendlichkeit.
Dieses Schicksal hatte man mir schon manches Mal versprochen, und ich fürchtete
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