0066 - Ich folgte dem roten Wagen
Dienstpistole aus dem Schulterhalfter und schob sie in die Hosentasche. Während ich mit einer Hand die Tasche zuhielt, schob ich mit dem Daumen der anderen Hand in der Tasche den Sicherungsflügel herum. Auf diese Weise wurde das leichte metallische Geräusch, das sonst immer beim Entsichern unserer Kanonen entsteht, vermieden.
Nachdem die Waffe schussbereit gemacht worden war, brachte ich sie in Anschlag. Ich sah richtig, wie der Mann an der Tanne zusammenzuckte, als ich plötzlich rief: »Keine falsche Bewegung! Ich kann Sie genau sehen und meine Kanone geht manchmal verdammt schnell los!«
Der Mann war so erschrocken, dass er vor lauter Schreck zu keiner Bewegung imstande zu sein schien.
»Strecken Sie Ihre Hände schön zum Himmel und kommen Sie langsam hierher!«, rief ich. »Aber machen Sie keine Dummheiten! Ich schieße sofort!«
Langsam kam Leben in die dunkle Gestalt. Ich sah, wie sich die Hände zögernd in die Luft reckten und er langsam näher kam. Ich trat von der Felswand zurück, die mich bis jetzt gedeckt hatte, und befahl ihm, ungefähr einen weiten Schritt vor der Wand stehen zu bleiben.
Er gehorchte wortlos.
»Drehen Sie Ihr Gesicht zur Wand!«
Er tat es.
»Jetzt strecken Sie Ihre Arme vor und lassen Sie sich mit den Händen gegen den Fels fallen.«
Er gehorchte noch immer schweigend. Ich trat hinter ihn, steckte meine Waffe ein und klopfte ihn von hinten ab. Er stand so schräg gegen die Wand, dass er mich mit den Händen nicht angreifen konnte, wenn er nicht augenblicklich das Gleichgewicht verlieren und mit dem Kopf nach vorn gegen die Felswand stürzen wollte.
In seiner rechten Jackentasche fand ich eine Pistole. Ich steckte sie ein. Er hatte keine weiteren Waffen bei sich.
»So«, brummte ich zufrieden. »Jetzt können Sie sich umdrehen. Aber versuchen Sie nicht, mit den Fäusten anzugreifen. Sie würden doch den kürzeren ziehen.«
Er stieß sich von der Felswand ab, bis er wieder senkrecht stand, und drehte sich um.
»Wer sind Sie?«, fuhr ich ihn ziemlich grob an.
»Ich heiße Averson.«
»Und was suchen Sie um diese Zeit hier?«
»Ich habe das Geld gebracht.«
»Welches Geld?«
»Na, für euch! Für meinen Jungen! Die zehntausend Dollar! Sie liegen dort unter der Tanne! Sie können mir glauben, dass es verdammt schwer war für mich, soviel Geld innerhalb von vierundzwanzig Stunden aufzutreiben!«
Ich war so verdattert, dass ich für einen Augenblick lang nichts mehr zu sagen wusste. Dann forschte ich vorsichtig: »Wollen Sie damit sagen, dass man Ihren Sohn entführt hat?«
Ein gequältes, bitteres Lachen kam aus seiner Kehle.
»Tun Sie doch nicht so, als wüssten Sie das nicht! Los, holen Sie sich das Geld und dann geben Sie mir mein Kind zurück!«
Ich kramte meine Taschenlampe aus der Hosentasche hervor und leuchtete dem Mann ins Gesicht. Es war ein gramzerfurchtes Gesicht, das in den letzten vierundzwanzig Stunden nicht eine Minute Schlaf gehabt haben konnte.
Und es sah nicht wie das Gesicht eines skrupellosen Gangsters aus.
»Bleiben Sie hier stehen, Mister Averson«, sagte ich. »Wenn Sie einen Fluchtversuch unternehmen, werde ich auf Sie schießen müssen!«
Ich ging zur Tanne und bückte mich, wobei ich immer wieder hinüber zu dem Mann blickte, der reglos vor dem Felsen stand.
Zu Füßen der Tanne lag eine alte Ledertasche. Ich öffnete sie und leuchtete hinein. Zehntausend Dollar strahlten mir in allen möglichen Scheinen entgegen. Zehntausend Dollar erpresstes Geld.
***
Ich machte die Tasche wieder zu und ging zurück zu Mr. Averson.
»Sind Sie aus Louisville?«, fragte ich ihn.
»Ach, zum Teufel, was fragen Sie mich so dumm?«, fuhr er mich an. »Ihr habt gewusst, wo ich wohne, als es darum ging, meinen Jungen zu finden und mir eueren Erpresserbrief zu schreiben. Und jetzt wisst ihr es auf einmal nicht mehr?«
»Sie irren, Mr. Averson«, erklärte ich ihm. »Ich gehöre nicht zu der Kidnapperbande.«
»Nein?«, stammelte er verdutzt.
»No. Ich bin G-man vom FBI. Kommen Sie, machen wir es uns ein bisschen bequem. Ich muss mich mit Ihnen unterhalten.«
Wir setzten uns an einer windgeschützten Stelle zwischen den Felsen nieder und ich bot Zigaretten an. Nachdem unsere beiden Stäbchen brannten, setzte ich meine Fragen fort: »Wie alt ist Ihr Sohn, Mr. Averson?«
»Sechs Jahre.«
»Seit wann ist er verschwunden?«
»Seit gestern Abend. Oder seit nachmittags schon, ich weiß es nicht genau. Ben ging nachmittags immer zum Spielen zu seinen
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