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0066 - Ich folgte dem roten Wagen

0066 - Ich folgte dem roten Wagen

Titel: 0066 - Ich folgte dem roten Wagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ich folgte dem roten Wagen
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Sie sich jetzt beruhigt?«
    Das machte ihn vollends verrückt. Er sprang auf, kam zum Schreibtisch und trommelte mit beiden Fäusten auf die Tischplatte.
    »Ich protestiere gegen diese Behandlung! Ich will sofort freigelassen werden! Sie haben kein Recht, mich hier festzuhalten! Lassen Sie mich sofort gehen!«
    Als er einmal Luft holen musste, nutzte ich es zu der kühlen Bemerkung.
    »Darüber wird der Untersuchungsrichter zu entscheiden haben. Ich glaube allerdings kaum, dass er Sie laufen lassen wird. Sie stehen unter Mordverdacht und unter dem dringenden Verdacht der Beteiligung an doppelter Kindesentführung. Bei beiden Delikten sehen unsere Gesetzbücher die Todesstrafe vor. In so einem Fall erfolgt eine vorläufige Haftentlassung nicht einmal gegen eine Kaution.«
    Er stand heftig atmend vor dem Schreibtisch. Seine Augen quollen weit aus den Höhlen und auf der Stirn erschien der Angstschweiß in kleinen, glitzernden Perlen.
    »Nehmen Sie wieder Platz und beantworten Sie meine Fragen«, sagte ich. »Wo wohnen Sie?«
    Er ließ sich auf seinen Stuhl fallen. »Lexington«, sagte er. »Wane Street.«
    »Welche Nummer?«
    »Achtzehn vier.«
    »Also einhundertvier?«
    »Einhundertvierundachtzig.«
    »Ah ja. Natürlich.«
    Ich drückte meine Zigarette im Aschenbecher aus und stand auf. Ich ging ein paar Schritte im Zimmer auf und ab, dann blieb ich plötzlich stehen und fuhr ihn an: »Sie haben ein sechsjähriges Kind kaltblütig umgebracht! Für ein paar lumpige Dollar sind Sie bereit, Kinder zu ermorden! Ich bringe Sie dahin, wo Sie hingehören, nämlich in die Gaskammer, wo Ihnen Blausäure zur Reise ins Jenseits verhilft. Haben Sie mich verstanden?«
    Seine Hände zitterten so, dass er keine Zigarette hätte halten können. Er krächzte mit einer Stimme, die sich überschlug: »Ich habe ihn nicht umgebracht! Ich nicht! Das waren die anderen! Ich war es nicht! Ich war es doch nicht!«
    »Ach nein«, sagte ich freundlich. »Es waren die berühmten anderen! Wer sind denn die anderen?«
    Ich hob den Kopf und sah ihn scharf in die Augen. Laut und deutlich fuhr ich ihn an: »Wie heißen sie? Wo wohnen sie? Los, Mann, reden Sie schon! Sie reden um Ihren Kopf, um Ihr Leben, falls Ihnen das noch nicht klar sein sollte!«
    Er fuhr sich mit den zitternden Händen über die Stirn.
    »Ich«, krächzte er, »ich - ich kenne sie nicht. Ich weiß nicht, wie sie heißen. Ich weiß es nicht.«
    »Ach? Treffen Sie sich immer bei Neumond in einem Tunnel mit verbundenen Augen? Oder verkehren Sie nur schriftlich mit Ihnen, Mister Marshall?«
    Er schwieg. Aber sein Atem ging schnell. Plötzlich sagte er: »Sie haben mich nachts in meinem Zimmer aufgesucht. Ich durfte das Licht nicht einschalten. Sie sagten mir, dass ich heute Nacht an der Tanne zehntausend Dollar holen sollte. Hundert dürfte ich als Botenlohn behalten. Den Rest würden sie demnächst bei mir abholen.«
    »Das Märchen soll ich Ihnen abnehmen? Wollen Sie mir auch noch weismachen, dass Sie nicht einmal wussten, woher diese zehntausend Dollar kommen würden?«
    »Ich hatte tatsächlich keine Ahnung, Agent! Ich schwöre es Ihnen!«
    »Auf Meineid steht mindestens ein halbes Jahr«, sagte ich gelassen, »also sparen Sie sich solche Lügen lieber. Sagen Sie mal, können Sie eigentlich schreiben?«
    Er wusste mit dieser Frage überhaupt nichts anzufangen, fand sie völlig harmlos und gab zu: »Klar! Sicher kann ich schreiben! Was glauben Sie denn?«
    »Wer schreiben kann, der kann auch lesen, nicht wahr?«
    »Ja, sicher.«
    Ich beugte mich vor.
    »Seit drei Tagen sind alle Zeitungen voll von der Entführungsgeschichte Marshall in Louisville. Die Tanne steht ungefähr auf halbem Weg zwischen hier und Lexington. In allen Zeitungen, auf allen Litfaßsäulen, in der Wochenschau, im Fernsehen, im Rundfunk, während der Kinoreklame - im ganzen Land wird nur von der Kindesentführung gesprochen und von dem geforderten Lösegeld! Und Sie wussten nichts, ja, Sie konnten sich nicht einmal denken, woher die zehntausend Dollar stammen könnten?«
    Ich schlug in gespielter Wut auf den Schreibtisch.
    »Halten Sie uns denn für eine Versammlung von Dorftrotteln? Oder für ein paar Idioten, die noch nicht einmal bis drei zählen können, he?«
    Er zog ängstlich den Kopf ein.
    »Agent, ich wollte Sie nicht…«, stotterte er verlegen.
    »Was interessiert mich das!«, fuhr ich ihn an. »Beantworten Sie mir meine Fragen, ohne mit plumpen Lügengeschichten angetanzt zu kommen!

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