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0069 - Das Gericht der Toten

0069 - Das Gericht der Toten

Titel: 0069 - Das Gericht der Toten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Wolf Sommer
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vielleicht?«
    Er lachte laut auf und holte das goldene Stilett, das zwei Tage zuvor als Testobjekt gedient hatte.
    »Hier!« sagte er und hielt Sekere das Messer hin. »Bediene dich, tu dir keinen Zwang an!«
    Sekere wußte natürlich nur zu genau, daß seine abgebrochene Drohung nichts anderes war als leerer Theaterdonner. Er machte ein böses Gesicht und wandte sich ab. Dumpf brütend starrte er auf eine Alabasterstatue, die an einer der Wände stand.
    »Es sei!« sagte er nach einer Weile des Überlegens. »Mein Bleiben aber werdet ihr wohl nicht erwarten.«
    »Gehe wohin es dir beliebt«, forderte ihn der Professor auf.
    Sekere neigte den Kopf und schloß die Augen.
    »Chemut, Chemut, Chemut, höre mich!«
    Der Mann, der in dem aufwallenden Nebelkreis sichtbar wurde, fuhr entsetzt zurück, als er den Rufer erkannte.
    »Sekere, ich bin dein Freund«, sagte er hastig. »Aber verstehe mich recht… Solange der Schnitter dich und die deinen mit dem ewigen Nichts bedroht … Ich wünsche dir, daß Amun deines Kaa gnädig ist.«
    Und schon löste sich der Nebel auf.
    Verzweifelt versuchte es Sekere erneut. Zwei weitere Männer und zwei Frauen lehnten es ebenfalls kategorisch ab, ihm die Hand zu reichen. Dann aber hatte er Glück. Ein Jüngling, fast noch ein Kind, dem das Totengericht beide Hände abgeschlagen hatte, war bereit, ihm in seinem Grabloch Unterschlupf zu gewähren.
    Sekere hatte es ungeheuer eilig, durch den Kreis zu steigen. Selbst die Abschiedsworte an Zamorra und Bill schenkte er sich.
    Ernst sahen sich die beiden Freunde an.
    »Ich rufe ihn jetzt!« sagte Zamorra.
    Bill nickte nur stumm.
    »Vielleicht solltest auch du die Mastaba verlassen«, schlug der Professor vor. »Wenn Neferptah mich hört und einen Dämon mitbringt… Es genügt, wenn er einen von uns enthauptet.«
    Bill war beleidigt. Er sagte nichts, sondern blickte den Professor nur vorwurfsvoll mit seinem einen Auge an.
    »Gut, dann nicht«, lächelte der Professor. »Verbirg dich drüben hinter diesem Schrein. Als Überraschung für Neferptah sozusagen.«
    Bill tat wie geheißen. Er humpelte zu dem ebenholzfarbenen Reliquienschrank hinüber und kauerte sich dahinter.
    »Kann losgehen«, rief er dem Freund zu.
    Zamorra meditierte kurz und machte sich dann bereit.
    »Neferptah, Neferptah, Neferptah, höre mich!«
    Augenblicklich bildete sich der Nebelkreis, lichtete sich das Zentrum.
    Da war er!
    Neferptah, der verfluchte Pharao.
    Sekere hatte ihnen von seinen Untaten berichtet. Wie er das Land terrorisiert und seine Bewohner bis aufs Letzte ausgebeutet hatte…
    Wie er jeden Widerstand mit Blut und teuflischer Magie im Keim erstickt hatte…
    Und so sah er auch aus.
    Groß, breitschultrig, gewalttätig. Ein Gesicht wie aus Basalt gemeißelt. Brutales Kinn, Hakennase, fliehende Stirn. Sein Schädel war kahl geschoren und zeigte große, abstehende Ohren.
    Trotz der zahllosen Verbrechen, die er begangen hatte, wies sein Kaa keinerlei Verstümmelungen auf.
    Zamorras Glaube an die Gerechtigkeit der Letzten Gerichtsbarkeit schwand immer mehr dahin. Der Gott Ptah schien die Seinen zu schützen.
    Ein stechender Blick aus grausamen, eisigen Augen richtete sich auf den Professor. Plötzliches Erkennen blitzte in ihnen auf.
    Zamorra konnte sich denken, woher ihn der Pharao kannte. Mit Sicherheit hatte er ihn im Diesseits beobachtet, nachdem Madhvakrishna sein Kaa freigesetzt hatte.
    Ein breites, beinahe genüßliches Lächeln glitt über die kantigen Züge Neferptahs.
    »Du wolltest mit mir sprechen, Zamorra?«
    Er kennt sogar meinen Namen, dachte der Professor.
    Laut sagte er: »Ja, ich wollte mir dir sprechen, Neferptah!«
    Das breite Lächeln verstärkte sich noch, als der Pharao Zamorra seine Hand hinhielt.
    »Komm zu mir, Freund Zamorra!« sagte er.
    Der Parapsychologe schüttelte den Kopf. »Nein, sei du mein Gast!«
    »Warum nicht?« antwortete Neferptah. »Warte einen Augenblick, damit ich dir ein Gastgeschenk mitbringen kann.«
    Für Sekunden verschwand der Pharao aus dem Blickfeld des Nebelkreises.
    Holt er jetzt seinen Dämon? überlegte Zamorra kurz. Nein, es sah nicht so aus. Der Pharao wurde wieder sichtbar. Allein.
    Wieder streckte er ihm die Hand entgegen, und diesmal schlug der Professor ein. Im Stillen hatte er damit gerechnet, daß ihn Neferptah zu sich hinüberziehen würde. Demgemäß stützte er sich an einem kleinen Zierpfeiler ab. Aber der erwartete Ruck blieb aus. Der verfluchte Pharao schritt durch den Kreis und betrat die

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