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0070 - Die Brücke ins Jenseits

0070 - Die Brücke ins Jenseits

Titel: 0070 - Die Brücke ins Jenseits Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A.F. Morland
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Professor Zamorra ließ sich von dem tückischen, gefährlichen Unhold nicht täuschen.
    Noch war Namsi nicht wirklich tot. Zamorra rammte ihm auch noch den zweiten und den dritten Dolch in den schuppenübersäten Leib. Und zwar in Kreuzform.
    Jetzt erst war Omar Namsi wirklich vernichtet.
    Der Leichnam nahm wieder menschliche Gestalt an. Die häßlichen grünen Schuppen verschwanden. Ein friedlicher Ausdruck lag auf dem Gesicht des Toten.
    Schweiß tropfte von Zamorras Stirn.
    Sein Brustkorb hob und senkte sich schwer. Er wollte sich aufrichten, da sah er, daß mit dem Toten eine rasche Veränderung vor sich ging.
    Namsis Körper verlor alle Farbe.
    Er wurde weiß, dann milchig trüb, gleich darauf transparent, das Skelett des Türken war zu sehen, es löste sich vor Zamorras Augen langsam auf. Nach und nach verging alles, was einst Omar Namsi gewesen war.
    Nur die Dolche blieben, die ihn vernichtet hatten.
    Kreuzförmig angeordnet.
    ***
    Plötzlich ein Knirschen. Zamorra ahnte sofort, was nun geschehen würde. Er schnellte hoch. Die Brücke bebte unter seinen Füßen.
    »Selima!« schrie er. »Lauf! Runter von der Brücke! Schnell!«
    Das Mädchen wandte sich um. In diesem Moment brach die Brücke, die es nicht geben durfte. Ein schreckliches Heulen und Wehklagen erfüllte die Luft.
    Die Brücke bekam überall Sprünge, als würde ein heftiges Erdbeben an ihren Pfeilern rütteln. Zamorra lief auf die Türkin zu. Er war von Krachen und Bersten umgeben. Staub wirbelte hoch.
    Der Boden senkte sich.
    Ein Teil der Dämonenbrücke riß mit einem lauten Knall ab. Zamorra sah Selima in die Tiefe sausen. Ihm stockte der Atem. Ein Staubpilz stand über der Absturzstelle.
    Immer mehr rumorte es im Tragwerk der Brücke. Zamorra brachte sich keuchend in Sicherheit. Donnernd ging der Rest der Geisterbrücke nieder. Schaurige Klänge aus dem Jenseits begleiteten den unfaßbaren Untergang.
    Langsam verzog sich der Staub.
    Und mit ihm entschwand auch die Brücke für alle Zeiten. Es gab keine Trümmer zu sehen, keine geborstenen Pfeiler ragten zum Himmel empor, die an die Katastrophe erinnerten.
    Nichts wies mehr darauf hin, daß hier jemals eine Brücke gewesen war. Zamorra stand auf der Straße und blickte fröstelnd auf die düstere Weite eines Feldes.
    Da vernahm er das leise Stöhnen eines Mädchens.
    »Selima!« schrie er aufgewühlt und rannte los…
    ***
    Der verheerende Siegeszug der magischen Pest schien nicht mehr aufzuhalten zu sein. Alle, die gegen sie zum Kampf angetreten waren, die die Absicht gehabt hatten, sie zu vernichten, waren von ihr bereits befallen.
    Auch Nicole Duval.
    Schreckliche Todesvisionen peinigten sie. Ihr ganzer Körper war ein einziger Herd von unsagbaren Schmerzen. Kommissar Haydn, seinen Assistenten, dem Leiter des allgemeinen Krankenhauses – niemandem ging es anders…
    Der Tod war auf dem Vormarsch.
    Unaufhaltsam kroch er über die Menschen. Es gab nichts, das man ihm entgegenwerfen konnte. Die Seuche war stärker und widerstandsfähiger als alle Antibiotika dieser Welt.
    Fieberkrämpfe schüttelten Zamorras Sekretärin.
    Sie dachte an den Professor, fühlte sich von ihm im Stich gelassen, zürnte ihm jedoch nicht. Gräßliche Phantasiebilder gaukelten vor ihren fieberglänzenden Augen.
    Zamorra hatte gewiß an einer anderen Front sein Bestes gegeben.
    Es war nicht genug gewesen. Es hatte nicht gereicht. Der schwarze Tod hatte schneller und unerbittlicher zugeschlagen, als sie es verhindern konnten.
    Tränen schimmerten in Nicoles Augen.
    Sie versuchte sich mit dem unvermeidlichen Schicksal abzufinden.
    Wenn diese Schmerzen nur nicht so furchtbar gewesen wären. Was geschehen war, wie es begonnen hatte, das zog noch einmal an ihren glasigen Augen vorüber: Ankunft in Wien, Stadtrundfahrt, Ahmet und Mehmet, die Verfolgung auf dem Zentralfriedhof, jene Brücke, die es nicht geben durfte, die Zamorra überschritten hatte, und die – wenn man Mehmets Worten glauben mußte – keinen Menschen mehr zurückließ, der Kampf gegen die Pest und nun… die Niederlage …
    ***
    Alles geschah genauso, wie es Omar Namsi vorausgesehen hatte: Herzog Karl von Lothringen sammelte das Entsatzheer in Tullnerfeld, führte es, für die Türken unerwartet – obwohl Namsi davon gesprochen hatte (man hatte darüber gelacht) –, auf das Kahlengebirge. Von dort stieß das Heer, nachdem noch der Kapuziner Marco d’Aviano in der kleinen Kirche auf dem Kahlenberg eine Frühmesse für die Streiter gelesen hatte, in

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