0070 - Ich, der Tod und 100 Dollar
Schermer«, las ich nur. Der Rest interessierte mich nicht mehr.
»Sie haben einen falschen Hunderter in der Brieftasche, Mr. Schermer. Woher haben Sie den?«
Ted Schermer sperrte den Mund auf. Dann kam ihm die Erleuchtung.
»Hab’mir doch gedacht: Da ist was faul, das sie mir den einfach wieder mitgeben. Deshalb also! Na…«
Ich unterbrach ihn.
»Keine Umschweife bitte! Woher haben Sie den Schein?«
»Keine Ahnung, Gentlemen«, meinte er bekümmert. »Wirklich. Eins meiner Mädchen muss ihn angenommen haben. Ich hab eine kleine Bar hier unten am Wasser.«
Ich überlegte kurz. Diese Spur durften wir nicht aus den Augen verlieren. Es war bisher die einzig brauchbare, und vielleicht ergab sie einen Anhaltspunkt.
»Fahren Sie vor«, befahl ich. »Wir werden uns Ihre Mädchen mal ansehen. Vielleicht erinnert sich eine, von wem sie den Hunderter bekommen hat!«
Wir stiegen wieder ein und ließen Ted Schermer Vorfahren. Er lenkte weiter die Straße hinunter, bog nach links ein und hielt schließlich vor einem ziemlich schmutzigen Haus.
»Da wären wir, Gentlemen«, sagte er und wies uns zu der schmalen Tür, über der ein Schild prangte: Teds Bierbar.
Das Haus lag fast am Wasser. Wenige Meter entfernt schlugen die schmutzigen Wellen des East River an die niedrigere Kaimauer und auf der anderen Seite erhoben sich die Wolkenkratzer von Manhattan in den bleigrauen Himmel.
»Treten Sie nur näher, Gentlemen!«, sagte Schermer.
Phil blinzelte mir zu, und wir spazierten in die dunkle Gaststube hinein.
Zuerst konnten wir kaum etwas unterscheiden, dann nahm ich ein paar schwache Birnen über der Bartheke wahr, sah ringsum Tische mit kleinen Lampen, die Nachttischlampen nicht unähnlich sahen, und allmählich unterschied ich auch die Gesichter der Gäste. Aus einem Lautsprecher dröhnte quäkende Musik, und die wurde noch von dem Streit zweier stark geschminkter Frauen übertönt, welche an einem Tisch nahe der Tür saßen.
Schermer blickte stolz von Phil zu mir. Anscheinend erwartete er, dass wir über sein Etablissement auch noch staunen sollten.
»So rufen Sie schon die Mädchen zusammen«, forderte ich ihn auf. »Wir sind nicht gekommen, um hier Feste zu feiern!«
»Wäre vielleicht ganz nett«, ließ sich eine raue Stimme dicht neben mir vernehmen. Sie gehörte einer superblonden Hafenschönheit, die mich aus begehrlichen Augen ansah. Auf Ted Schermers Worte hin schoben sich noch mehr Gestalten ähnlichen Kalibers heran, die uns neugierig und abschätzend anblickten.
»Wer von euch hat heute einen Hunderter eingenommen«, fragte Schermer.
Eine kleine, flinke Schwarzhaarige meldete sich.
»Ich. Heute Mittag.«
»Von wem?«, fragte ich schnell, aber sie blickte geringschätzig zu mir auf.
»Wer fragt hier, Mr. Schermer oder Sie?«, sagte sie schnippisch.
»Sollen wir sie ein bisschen mitnehmen, vielleicht in Raum 18?«, raunte Phil, aber laut genug, um verstanden zu werden.
Seine Frage wirkte. Dabei ist Raum 18 ein ganz gemütlich und neutral eingerichtetes Zimmer, in dem wir manchmal harmlose Besucher empfangen, die nicht durch die amtliche Atmosphäre beeindruckt werden sollen. Weiß der Teufel, was diese Kleine sich unter Raum 18 vorstellte.
»Es war ein Junge von drüben«, sagte sie hastig. »Sammy Nole. So’n Kleiner, Blonder, ’n bisschen dick. Wohnt am Harlem River.«
»Wo am Harlem River?«, bohrte ich weiter.
Sie tat, als müsste sie überlegen.
»167. Straße. Was wollt ihr von dem Jungen? Ist das’n-Verbrechen, mit ’nem Hunderter zu bezahlen?«
»Wenn er falsch ist, ist es ein Verbrechen«, sagte ich kurz. Sie zuckte mit keiner Wimper.
»Nehmen Sie wenigstens noch ein Bier, Gentlemen?«, fragte Ted Schermer.
»Nein, danke«, sagte ich. Wir drehten uns um und gingen hinaus.
***
Bis hinauf in die Bronx ist es fast eine Tagesreise. Ich war die mühsame Schleicherei durch die überfüllten Straßen leid und drehte einfach auf. Dabei schaffte mir meine Polizeisirene halbwegs freie Bahn.
Die 167. Straße ist ziemlich lang, und im Allgemeinen findet man leichter eine Maus im Keller als einen bestimmten Menschen in diesem Viertel.
Aber wir haben Erfahrung in solchen Sachen. Phil begann dort, wo diese Straße das schlechteste Publikum hat, und fragte nach Sammy Nole. Er nahm sich in erster Linie nur junge Mädchen vor, die im Allgemeinen die männliche Jugend ihrer Straße ganz gut kennen. Er ging in ein paar Drugstores, deren Kunden einem Schwatz nicht abgeneigt schienen, und so
Weitere Kostenlose Bücher