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0072 - Die Ruine des Hexers

0072 - Die Ruine des Hexers

Titel: 0072 - Die Ruine des Hexers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walter Appel
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Kopf.
    »Mama, der Mann ist seit über zweihundert Jahren tot.«
    »Tot und tot ist ein Unterschied«, sagte Zamorra. Er verbeugte sich und küßte die Hand der Baronesse. »Madame, Sie können sich ganz auf mich verlassen. Ich werde erst mit dem Augenzeugen sprechen, mit Dissot. Und mir dann den Tatort ansehen.«
    Die alte Dame und die dunkelblonde, eher zierliche Schwester des toten Barons schauten betreten drein. Sie bewunderten die Baronesse für den Mut, mit dem sie vortrug, woran auch sie vielleicht gedacht hatten. Und zugleich befürchteten sie eine Blamage.
    Paul de Gascoyne schaute mit einem gottergebenen Ausdruck zur Decke. Nicole lächelte nur, spielte mit dem Griff der Handtasche in ihren Händen. Sie wußte, daß Zamorra nicht mehr ruhen würde, bis das Rätsel um die schwarze Kapelle und den Hexer Romain Rolland gelöst war.
    ***
    Der alte Mann weinte leise. François Dissots Schultern hingen nach vorn. Sein Gesicht sah grau aus. Professor Zamorra und Nicole Duval saßen dem alten Förster im Sprechzimmer des Polizeigefängnisses von Angers gegenüber.
    Eine Barriere trennte sie. Ein Stück entfernt, mit dem Rücken an die Wand gelehnt, eine Gauloise im Mund, saß ein uniformierter Polizist und las im »Le Matin«. Professor Zamorra war kein Unbekannter.
    Er hatte seinen Einfluß geltend gemacht, die Baronin de Gascoyne hatte beim Polizeipräfekten interveniert. So konnte Zamorra jetzt, kurz nach 16.30 Uhr, den Untersuchungsgefangenen François Dissot sprechen.
    Das Sprechzimmer war schäbig und alt. Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung nisteten darin. Zuviel Unglück, zuviele Tragödien, hatten diese Wände schon gesehen. Das Sonnenlicht fiel durch vergitterte Fenster ein.
    Es war, als bliebe eine Zutat dieses Sonnenlichts draußen in der Freiheit.
    »Diese Schande«, stöhnte François Dissot. »Siebzig Jahre bin ich in Ehren alt geworden. Nie habe ich mir etwas zuschulden kommen lassen. Und jetzt sitze ich im Gefängnis, unter Mordverdacht!«
    Zamorra legte ihm die Hand auf den Arm, um ihn zu trösten.
    »Man beschuldigt mich, den Baron de Gascoyne ermordet zu haben. Lieber hätte ich mir die Hand abgehackt, als sie gegen ihn zu erheben. Diese jungen Kriminalbeamten lachen, wenn ich erzähle, was sich wirklich abgespielt hat, und sagen, ich sei verrückt. Der Amtsarzt war schon bei mir. Und ein Psyo… Psylo …«
    »Ein Psychiater«, sagte Zamorra.
    »Ja, ein Psycha… So einer war es. Er hat mich Dinge gefragt, die ich kaum zu sagen wage. Ob ich meinen Vater gehaßt und meine Mutter begehrt habe.«
    Zamorra schien es sehr weit hergeholt, einen Ödipus-Komplex als Mordmotiv aufzubauen. Obwohl es theoretisch eine schwache Möglichkeit geben konnte, daß der Altersschwachsinn ihn durchbrechen ließ, daß François Dissot in dem Baron die väterliche Autorität sah und sie vernichtete.
    Zamorra zog das aber nicht in Betracht.
    »Machen Sie sich nichts daraus, Monsieur Dissot. Erzählen Sie uns, was wirklich geschehen ist. Ganz genau, jede Einzelheit. Wir glauben Ihnen.«
    Zweifelnd sah der weißbärtige alte Mann die taufrische und bildhübsche Nicole Duval an. Sie nickte ihm zu, lächelte freundlich.
    »Haben Sie einen Anwalt, Monsieur Dissot?« fragte sie.
    »Ich? Warum, ich bin doch unschuldig?«
    Der Alte war ein wenig naiv. Er wußte noch gar nicht, in was für eine Justizmühle er hineingeraten war. Der Mord mußte aufgeklärt, ein Täter gefunden werden. Und er war der einzige, der in Frage kam.
    »Ein Anwalt könnte Ihnen manchen wertvollen Tip geben und viele Vergünstigungen für Sie erreichen«, sagte Zamorra. »Er leistet Ihnen Beistand. Ich kenne ein paar sehr gute Strafverteidiger. Einer würde sich sicher Ihrer annehmen, wenn ich ein Wort für Sie einlege.«
    »Hm. Diese Leute kosten bestimmt eine Menge Geld. Und das habe ich nicht.«
    »Ihr Fall ist sehr interessant«, flunkerte Zamorra. »Ich glaube, darum würde sich ein Strafverteidiger auch umsonst kümmern. Ich kann mit einem meiner Bekannten reden. Es gibt da einen Fonds für ehrbare Leute wie Sie, die unschuldig in die Justizmühle geraten sind.«
    François Dissot, der auch jetzt einen grünen Försteranzug trug, setzte sich gerade auf.
    »Wenn es diesen Fonds gibt, möchte ich ihn in Anspruch nehmen. Mein guter Name muß wiederhergestellt werden.«
    »Ich will das veranlassen«, sagte Zamorra, dem es klar war, daß er aus eigener Tasche etwas bezahlen mußte. »Erzählen Sie mir jetzt, Monsieur Dissot. Ich bin davon überzeugt,

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