0075 - Das tödliche Tagebuch
lähmte Ethel Ambros. Solche grauenvollen Pranken sah sie zum erstenmal. Todesangst bemächtigte sich des Mädchens. Dieser Mann mit den entsetzlichen Teufelskrallen war nicht auf der Suche nach Liebe. Ganz im Gegenteil. Er war unterwegs, um einem Mädchen wie Ethel den Tod zu bringen. Seine Augen sprühten vor Haß und Blutgier. Ethel wollte um Hilfe schreien, aber ihre Kehle war wie mit einem dicken Strick zugeschnürt. Allein das Bemühen um diesen Schrei schmerzte sie höllisch im Hals.
Der unheimliche Mann holte mit seinen gräßlichen Krallen zum tödlichen Schlag aus.
Da löste sich die Lähmung aus Ethels Körper. Sie schlug atemlos mit ihrer Handtasche nach dem Gesicht des Mannes. Dann warf sie sich blitzschnell herum und suchte ihr Heil in einer panikartigen Flucht. Die scharfen Krallen des Killers sausten ihr nach und schlitzten die dicke Lammfelljacke von oben bis unten wie Rasierklingen auf, ohne jedoch Ethels Haut zu verletzen.
Mit weiten Sätzen rannte das Mädchen um sein Leben.
Der Unhold blieb ihr dicht auf den Fersen. Leichenblaß war Ethels Gesicht. Es war nun nicht mehr hübsch, sondern von einer gräßlichen Angst verzerrt.
Sie hörte die stampfenden Schritte des mordlüsternen Teufels hinter sich und wußte, daß sie verloren war, wenn er sie einholte. Zwei Mülltonnen. Randvoll mit Abfall. Ethel riß sie hinter sich um. Der Mann übersprang die eine mit einem federnden Satz, doch die zweite brachte ihn zu Fall. Er kugelte über den Boden. Ethels Vorsprung vergrößerte sich um einige wertvolle Yards.
Sie überkletterte eine hölzerne Plakatwand. Der Boden unter ihren Füßen war nun weich. Erde war es, nicht mehr Asphalt. Ethel Ambros befand sich auf dem finsteren Gelände einer Gärtnerei. Zahlreiche Glashäuser schimmerten im trüben Licht des Halbmondes.
Das Mädchen hörte das Kratzen der Schuhe ihres Verfolgers.
Wie konnte ein Mensch nur so entsetzliche Klauen haben?
Ethel verschwand in der Dunkelheit zwischen den Glashäusern. Sie strengte ihre Augen an, um etwaige Hindernisse rechtzeitig zu entdecken, denn sie durfte sich auf keinen Fall durch ein Geräusch verraten.
Eine Glastür. Sie stand halb offen. Ethel drückte sie so weit auf, um in das Glashaus hineinhuschen zu können. Es war dunstig hier drinnen. Die Luft war so feucht, daß sie sich dick in Ethels brennenden Hals legte. Auf langen Tischen standen Hunderte von Blumentöpfen.
Ethel warf sich zitternd auf den Boden und kämpfte gegen die Tränen an, die ihr die Angst in die Augen getrieben hatte. Nur nicht weinen, nicht schluchzen. Er könnte dich hören, dachte sie verzweifelt. Und wenn er dich erst einmal gefunden hat, ist es aus und vorbei mit dir.
Hier kann dir keiner mehr helfen.
Hier kann er dich mit seinen entsetzlichen Krallen zerfleischen, ohne daß jemand davon Kenntnis hat. Nicht einmal ein Hilfeschrei könnte dich vor dem sicheren Ende bewahren.
Ethels Herz schlug wie verrückt gegen ihre Rippen. Ihre Nerven vibrierten. Sie zitterte am ganzen Leib. Noch nie in ihrem jungen Leben hatte sie solch eine Angst ausgestanden. Sie hielt mühsam den Atem an und lauschte.
Da! Schritte.
Das Scheusal in Menschengestalt kam. Ethel Ambros war wie von Sinnen. Lieber Gott und alle Heiligen! schrie sie im Geist. Beschützt mich! Erspart mir ein solches Ende! Ich habe Angst vor dem Tod. So entsetzliche Angst.
Ethels Herz krampfte sich schmerzhaft zusammen, als sie den Schatten des Mörders an der Wand des Glashauses entlangstreichen sah. Jetzt blieb er stehen. Ethel schlug ihre beiden Hände auf den Mund, um ihre grauenvolle Furcht nicht doch laut herauszubrüllen.
Der Unhold wandte sich um.
Ethel drückte für einen Moment die Augen zu. O Gott. Der Teufel war nach New York gekommen.
Der Killer hob seine schrecklichen Pfoten. Das waren tödliche Waffen. Mit einem einzigen Hieb konnte der Unheimliche damit ein junges Leben vernichten.
Gütiger Gott! dachte Ethel verzweifelt. Laß ihn weitergehen! Er soll weitergehen. Er darf hier nicht stehenbleiben. Ich kann seinen Anblick nicht mehr ertragen. Die Angst bringt mich um, wenn er nicht weggeht.
Der Mörder zuckte herum, als hätte er in diesem Augenblick etwas gehört, das ihm verriet, wo sich sein Opfer verborgen hatte. Ethel versuchte, unter den Tisch zu kriechen. Dabei stieß sie gegen einige leere Blumentöpfe, die sie übersehen hatte. Es gab ein klapperndes Geräusch, das der Unhold nicht überhören konnte.
Er duckte sich sofort zum Sprung.
Und dann kam er
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