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0078 - Im Geisterreich der Wikinger

0078 - Im Geisterreich der Wikinger

Titel: 0078 - Im Geisterreich der Wikinger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Wolf Sommer
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Leben. Als das Wagenheck mit der Nebelwand in Berührung kam, geschah Erstaunliches. Es tauchte nicht in das schimmernde Gasgebilde ein, sondern krachte dagegen, als würde da eine solide Mauer aus festgefügtem Stein stehen.
    Das Stahlblech des Mercedes ächzte und knirschte, als es von den Aufprallkräften zusammengedrückt wurde wie eine Ziehharmonika. Das Glas der Rücklichter und der Heckscheibe zersplitterte, und die Chromleiste verbog sich bis zur Unkenntlichkeit.
    Gougeon und das Mädchen wurden aus ihren Sitzen gerissen.
    Wenn die Sicherheitsgurte nicht sofort zugeschnappt hätten, wären sie wie die Torpedos durch die Windschutzscheibe gegangen, die jetzt ebenfalls mit einem lauten Knall zerplatzte.
    Eine Sekunde später stand der Wagen still. Der Motor lief nicht mehr, nur die Kontrolleuchten am Armaturenbrett brannten. Der schräg einfallende Wind peitschte den Regen ins Innere des Fahrzeugs und besprühte die Insassen.
    Charlotte Rodin faßte sich zuerst. Mit zitternder Hand löst sie den Gurt und bewegte ihre Glieder. Alles schien heil geblieben zu sein.
    Nur in der rechten Schulter spürte sie ein leichtes Ziehen. Offenbar hatte sie sich da eine Muskelzerrung zugezogen.
    »Monsieur Gougeon, alles in Ordnung?« fragte sie und betrachtete ihren Chef von der Seite.
    Langsam erholte sich auch Gougeon von seinem Schrecken. Er befreite sich ebenfalls von seinem Sicherheitsgurt, reckte und streckte sich.
    »Ja, alles in Ordnung, Charlotte.«
    Mit weichen Knien öffnete er die Tür, um auszusteigen. Es gelang ihm nicht auf Anhieb, denn die Tür klemmte. Er mußte seine ganze Kraft aufbieten, um sie aufzustoßen. Dann trat er ins Freie. Das schwarzhaarige Mädchen folgte ihm.
    Beide achteten nicht auf den Regen, der penetrant auf sie niederprasselte. Sie nahmen ihn bewußt gar nicht wahr, denn ihre Aufmerksamkeit wurde von ganz anderen Dingen in Beschlag genommen.
    Der Mercedes stand mitten auf der Straße. Die ganze Heckpartie war ein einziger Torso. Aber auch das erschien jetzt ziemlich belanglos. Nur eins war jetzt von wirklicher Bedeutung: Die matt glänzende Nebelwand, die wie mit einer Schnur gezogen die Straße in zwei Hälften teilte. In eine sichtbare und in eine unsichtbare.
    »Mein Gott«, sagte Gougeon fassungslos. »Wir sind wirklich mit dem Nebel zusammengestoßen.«
    »Ja, es sieht so aus…« Zögernd trat Charlotte Rodin zwei Schritte vor, näherte sich der weißen Mauer.
    »Vorsicht, Charlotte«, warnte Gougeon. »Hier… geht es nicht mit rechten Dingen zu.«
    Charlotte war ein mutiges Mädchen. Auch sie spürte deutlich die seltsame, beinahe unheimliche Aura, die von dem Nebelwall auszugehen schien. Aber sie überwand die in ihr hochkriechende Furcht vor dem Unbekannten. Langsam, ganz langsam streckte sie die Hand aus. Dann tippte sie ganz kurz und schnell gegen das matt schimmernde Gebilde.
    Es war hart wie Stahl, ließ ihre Fingerspitzen keinen Millimeter eindringen. Charlotte spürte ein leichtes Prickeln auf der Haut, das beinahe angenehm war. Mutiger geworden hielt sie jetzt die ganze Hand dagegen, tastete nach links und rechts, nach oben und unten.
    Kalt war es, kalt wie Eis. Und es sandte leichte Strömungen aus.
    Sie hatte das Gefühl, als würden Ameisen über ihre Handfläche krabbeln.
    »Und?« hörte sie die Stimme ihres Chefs im Hintergrund. »Was ist es?«
    Charlotte trat zurück.
    »Ich weiß es nicht«, antwortete sie und betrachtete ihre Hand, mit der sie den Nebel berührt hatte. Sie sah aus wie immer und fühlte sich jetzt auch wieder so an. »Machen Sie doch selbst mal einen Test, Monsieur Gougeon.«
    »Ich kann mich bremsen«, knurrte der schwergewichtige Mann mit dem fleischigen Gesicht. In seinen blaßblauen Augen nistete das Unbehagen. »Ich frage mich nur, wie wir jetzt nach St. Briand reinkommen sollen. Über die Felder vielleicht? Geht wohl schlecht. Der verdammte Regen hat alles total aufgeweicht.«
    Das Mädchen sah die geheimnisvolle Wand an und die Äcker, die sich links und rechts des Straßenrandes erstreckten.
    »Wir würden auch über die Felder nicht nach St. Briand kommen, Monsieur Gougeon. Sehen Sie sich doch die Ausdehnung der Nebelwand einmal richtig an.«
    Gougeon erkannte schnell, daß das Mädchen recht hatte. Das diffuse Gebilde setzte sich auf beiden Seiten der Straße in waagerechter Richtung fort. Erst in zwei, drei Kilometer Entfernung schien es sich zu verlieren. Selbst über dem linker Hand liegenden Meer stand der Nebel wie eine Trutzmauer.

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