0079 - Der Tyrann von Venedig
Schwarzen Dogen gestürzt. So aussichtslos dieser Angriff auch gewesen wäre, sie hätte, nicht stillhalten können.
Die Fenster waren vernagelt. Die breiten Risse, die bei der Explosion des Bootes aufgetreten waren, hatten die Helfer des Schwarzen Dogen wieder ausgebessert. Die Tür am Ende des Saals bot die einzige Fluchtmöglichkeit, doch im Augenblick wurde sie von Skeletten bewacht. Selbst wenn Jane hätte laufen können, wäre sie nicht weit gekommen.
Ein röchelnder Atemzug lenkte sie ab. Der Schwarze Doge schien sich ein wenig erholt zu haben, obwohl er noch immer entkräftet auf seinem Thron kauerte. Seine leeren weißen Augen richteten sich erneut auf Jane Collins.
»Du frohlockst zu früh!« kreischte er haßerfüllt. »Du glaubst, daß dieser John Sinclair nur zu kommen braucht, damit ich vergehe! Du täuschst dich!«
Jane beschloß, den Dämon zu provozieren. Vielleicht erhielt sie auf diese Weise wertvolle Hinweise. »Taufrisch siehst du wirklich nicht aus, du schwarzes Klappergestell«, sagte sie spöttisch. »Wer soll vor dir noch Angst haben?«
Der Schwarze Doge wurde zu ihrer Enttäuschung nicht wütend. Statt dessen stieß er ein hämisches Lachen aus. »Ich habe schon dafür gesorgt, Jane Collins, daß ich neue Kräfte auftanke!«
»Wo das Benzin doch so teuer geworden ist«, versetzte sie abfällig. »Du tust mir leid!«
Wieder lachte er schauerlich. »Ich frische mich mit einer anderen Flüssigkeit auf, die noch wertvoller als Benzin ist.« Er beugte sich ruckartig vor. »Kannst du es erraten?«
Jetzt wurde es Jane allerdings himmelangst. Sie ahnte bereits etwas, sagte jedoch nichts.
»Mit Menschenblut!« schrie er ihr entgegen. »Das ist der Saft, den ich brauche und den ich in wenigen Minuten bekommen werde!«
Jane sprach die Frage, die sie quälte, nicht aus. Wollte er sich an ihrem Blut laben? Wenn sie sich im Saal umsah und die kraftlosen Gestalten betrachtete, gab es eigentlich nur eine einzige Antwort.
Ja, von ihrem Blut!
***
Die Beretta mit den geweihten Silberkugeln, das silberne Kreuz und der silberne Dolch mit dem kreuzförmigen Griff. Das waren auch auf dem Friedhof von Venedig meine Waffen. Ich hatte mit ihnen bisher die besten Erfahrungen im Kampf gegen den Schwarzen Dogen und seine Helfer und Helfershelfer gemacht. Darum hatte ich meinen Spezialkoffer im Hotelsafe gelassen und darauf verzichtet, noch andere Waffen zu mir zu stecken, deren Wirkung auf den Handlanger des Schwarzen Todes ich nicht kannte.
In den wenigen Minuten, die mir bis zu Tarrants Eintreffen blieben, überprüfte ich noch einmal diese Waffen. Der Commissario beobachtete mich dabei gespannt. Ich merkte ihm an, daß er nicht sonderlich viel von meiner Ausrüstung hielt.
Dann kam Joe Tarrant. Er konnte nicht wissen, daß wir hier waren. Sofort nachdem wir an Land gegangen waren, hatte das Polizeiboot wieder abgelegt. Wir selbst waren für den Reiseleiter unsichtbar.
Wie auf jedem italienischen Friedhof, so gab es auch in Venedig kleine, aber prunkvoll ausgestattete Grabkapellen, manche in der Form eines echten Doms. Sie boten eine viel bessere Deckung als einfache Grabsteine. Hinter solchen Kapellen standen wir.
Tarrant ging wie jemand, der es eilig hat und nicht auffallen möchte. Er hastete zwischen den Grabreihen entlang, wobei er sich so weit zurückhielt, daß sich die übrigen Besucher des Friedhofs nicht um ihn kümmerten. Ein paar Blicke warf er schon nach links und rechts, aber es war lange nicht so mißtrauisch wie in Venedig.
Ich erhob mich und huschte von einer Grabkapelle zur anderen. Der Commissario hielt sich dicht hinter mir. Unsere Schritte waren kaum zu hören, und da Bennato keine Uniform trug, fielen wir auch nicht so leicht auf.
Tarrant durchquerte die gesamte Friedhofsinsel und steuerte die Mauer an. Ich wußte ganz genau, daß es dahinter nicht weiterging. Da war nur auf der anderen Seite sofort das Wasser.
Dennoch blieb Tarrant nicht stehen. Er schritt so eilig auf die Mauer zu, daß ich für einen Moment dachte, er wolle sie durchbrechen. Es hätte mich nicht einmal gewundert. Der Schwarze Doge, mit dem er im Bund stand, vermochte unglaubliche Dinge zu vollbringen.
Doch unmittelbar vor dem Ende des Wegs schwenkte der Reiseleiter nach links. Im nächsten Moment war er in einer Grabkapelle verschwunden.
Ich sprach mich nicht vorher mit dem Commissario ab. Es hätte mich bloß aufgehalten.
In weiten Sprüngen hetzte ich über den kiesbestreuten Weg und schob mich an die
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