0079 - Wir hetzten den Kobalt-Boß
hatte, fragte der Kleine: »Noch nicht lange hier — wie?«
»Morgen sind’s acht Tage.«
»Schmeckt die Arbeit?«
»Bin zufrieden. Kann mich satt essen und hab’ ein Dach überm Kopf.«
»Wo kommst du denn her?«
»Darüber möchte ich nicht sprechen.« Beide grinsten und wechselten verständnisinnige Blicke.
»Schon gut, mein Junge«, sagte der Kleine. »Wir wissen es von Old Joe. Wir wissen noch mehr. Paß mal auf, Jim: Was du hier machst, ist bloße Zeitverschwendung.«
»Wieso?« tat Jim erstaunt.
»Nun, das ist doch keine Arbeit für so einen strammen Burschen, wie du einer bist.«
»Sie scheinen ja eine recht gute Meinung von mir zu haben, Gentlemen.«
»Haben wir. Auch Old Joe hat sie. Er sagte uns, du suchst einen Job, der ’nen Haufen Flöhe einbringt. Stimmt es?«
»Allerdings.«
»Der Boß hat natürlich das letzte Wort, aber ich glaube, du wirst ihm genauso gefallen wie uns. Was meinst du, Bill?« Der Große setzte die Kaffeetasse ab und nickte bloß. Er mußte ziemlich mundfaul sein.
»Hör mal zu, Jim«, fuhr der Kleine fort, »du kannst bei uns in einer Stunde mehr verdienen als hier im ganzen Monat.«
»Dann sage ich natürlich nicht nein. Um was handelt es sich denn?«
»Ganz einfache Sache; nur ab und zu was von drüben nach hier bringen.«
»Allein?«
»Nie allein und immer abgeschirmt. Die Grenzpolizei und so weiter, verstehste, Jim? Wir haben tolle Boote mit Pfundsmotoren.«
»Da wird wohl auch geschossen?«
»Selten, Jim. Wenn die anderen losballern, lassen wir uns natürlich nicht lumpen. Leider gibt’s auch Konkurrenz wie bei jedem Geschäft. Und da wird auch manchmal geballert. So sanft wie bei deinem früheren Job geht’s nicht zu. Du kannst doch mit ’ner Kanone umgehen?«
»Klar. Zwar bin ich kein Kunstschutze, aber was andere fertigbringen, kann ich auch.«
»Dann ist alles in Ordnung, Jim. Morgen abend holen wir dich ab und bringen dich zum Boß. Von dem wirst du mehr erfahren, wenn du ihm gefällst.«
»Wie heißt der Boß?«
»Das wirst du noch früh genug wissen.«
»Okay. Ich mache mit. An mir soll’s nicht liegen, wenn er mich haben will.« Die beiden zahlten, gaben ein anständiges Trinkgeld und schoben ab.
Jim weckte die Chefin. »Madam, ich glaube, wir machen Schluß.«
»Wie spät ist es?« fragte sie gähnend. »Gleich vier Uhr, Madam.«
»Gut, Jim, schließ die Tür, und dann rechnen wir ab.«
Nachdem dies geschehen war, klagte Jim über Kopfschmerzen.
»Die Luft hier drin«, meinte er, »ist zu warm und stickig. Wenn Sie nichts dagegen haben, mache ich noch einen Spaziergang.«
Madam hatte nichts dagegen. Er bekam einen Hausschlüssel, zog in seiner Kammer den Mantel an, setzte den speckigen Hut auf und verließ Joes Inn durch den Privatausgang.
Obwohl um diese Zeit kaum ein Mensch auf der Straße war, denn es regnete, sah sich Jim immer wieder um. Er verstand es mit Geschick, die von Schaufenstern oder einer Straßenbeleuchtung angestrahlten Stellen zu meiden.
Erst als er die Gewißheit hatte, daß ihm keiner folgte, ließ seine Vorsicht nach. Eine halbe Stunde später klopfte er an das Fensterchen in der Hauptpost mit dem Schild: Nachtdienst.
»Blitzgespräch New York, Stuyvesant 359 847.«
»Wie heißt der Teilnehmer?«
»John High.«
»Und wie heißen Sie?«
»Jim Motley.«
Der Mann hinter dem Fensterchen musterte den schäbig gekleideten Burschen in seinem nassen Mantel und Hut mit herunterhängender Krempe. »Das wird eine teure Angelegenheit«, meinte er skeptisch.
»Wenn Sie glauben, ich könnte das nicht bezahlen«, sagte der andere mit gutgespielter Entrüstung, »lege ich Ihnen zwanzig Dollar hin. Mehr wird’s wohl nicht kosten. Länger als zehn Minuten dauert das Gespräch nicht.«
»Okay. Einen Augenblick, ich verbinde.« Nach kurzer Zeit rief er: »Box drei, bitte!«
Das Gespräch dauerte genau neun und eine halbe Minute.
***
Die Fahrt in der Limousine endete unter einer Baumreihe in einer dunklen Straße an der Peripherie der Stadt.
»So, Jim«, sagte der Kleine, »hier warten wir. Der Boß wird in einem anderen Wagen kommen. Dann steigst du zu ihm. Halte dich senkrecht, dann geht’s schon nicht schief.«
»Als ich vor acht Tagen die Beerdigung von Red O’Leary ansah, hörte ich, wie die Leute um mich herum offen von Gangstern und Gangsterbossen palaverten. Wir in New York sind vorsichtiger. Eins kapiere ich nicht: Wenn jedes Kind eure Bosse kennt, warum läßt die Polente sie denn nicht
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