008 - Im Bann der Hexe
hatte.
Peters Tod. Das war etwas, das Dr. Bollard mit seiner beruhigenden Stimme und seinen Erklärungen nicht hatte wegwischen können. Peters Tod, die einzige Realität in der ganzen teuflischen Phantasmagorie. Die einzige Wahrheit, die auch jetzt noch schwer zu fassen war.
Der kleine Grillraum war fast leer, als Beth in eine Box glitt. Es war alles so, wie sie sich daran erinnerte.
Unter der schwarz – weiß gestreiften Markise über dem Eingang zum Modehaus Gibson herrschte lebhafter Betrieb. Wagen fuhren vor, aus denen auffallend gekleidete und übertrieben zurechtgemachte Frauen stiegen, sie sich umsahen, um festzustellen, welchen Eindruck sie machten, bevor sie in den Salon strebten.
Beth wusste, dass Marqs Modenschau an diesem Nachmittag stattfand. Sie hatte es in der Zeitung gelesen und machte sich nicht länger vor, dass sie nur wegen des Kaffees gekommen war.
Aber um diese Zeit brauchte sie keine zufälligen Begegnungen zu befürchten; alles würde hinten in den Ankleidekabinen beschäftigt sein.
Sie lehnte sich auf ihrem Beobachtungsposten neben dem beschlagenen Fenster zufrieden zurück. Draußen verabschiedete sich gerade ein Skyterrier mit feuchter Schnauze von seiner Herrin. Die Dame stieß einen Schrei aus, blinzelte und versuchte mit einer Hand ihre falschen Wimpern wieder zu befestigen. Der Hund wurde gescholten und in den Wagen zurückgereicht. Dahinter standen die Wagen bereits bis zum nächsten Block.
„Fetischismus“, sagte jemand neben ihr.
„Was?“
„Ein neuer Ausdruck, Diamanthalsbänder und all so Schmarren für die kleinen Lieblinge. Das sollte gesetzlich verboten sein.“
Noch bevor Beth aufsah, hatte sie die Stimme erkannt, die sie acht Jahre nicht mehr gehört hatte.
„Karen!“
Die langbeinige dunkelblonde junge Frau rutschte neben sie. Ihre Schnoddrigkeit war wie weggeblasen, und die großen grünen Augen standen voll Tränen.
„O Beth, das du wieder da bist!“
„Weine nicht. Du wirst scheußlich aussehen. Warum bist du übrigens nicht beim Anziehen?“
„Ich führe heute nicht vor. Ich habe die Regie und bin nur schnell für ein Sandwich herübergekommen. Ich bin am Verhungern.“
„Du siehst auch ganz so aus“, sagte Beth. „Bei dem, was du isst, müsstest du schon längst zwei Zentner wiegen.“
Karen grinste und tätschelte ihren nicht vorhandenen Bauch. „Sie behaupten alle, ich hätte einen Bandwurm.“
Die Unterhaltung plätscherte leicht dahin, dank Karen Allenby. Beth hatte Verlegenheit und peinliches Schweigen erwartet. Sie hätte Karen von sich aus nie im Leben wieder aufgesucht, dabei hatten sie einst zusammen gewohnt. Karen war ihre beste Freundin gewesen.
„Lass den Kaffee stehen“, erklärte Karen energisch. „Wir müssen uns beeilen.“
Beth spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht stieg, und ihre Hände eiskalt wurden.
„Ich komme nicht mit hinüber, Karen. Bestimmt nicht.“
„Natürlich kommst du mit. Du kannst dir Marqs Schau nicht entgehen lassen. Er ist unter die Zigeuner gegangen.“
„Ich will niemand sehen“, protestierte Beth.
„Wer sagt denn, dass du jemand sehen sollst? Schau dir die Kollektion an – das ist alles. Marq ist hinter dem Vorhang, um die Mannequins zu inspizieren. Er wird viel zu beschäftigt sein, um dich zu bemerken.“ Karen musterte sie nachdenklich. „Ich dachte außerdem, du wärst über Marq hinweg.“
„Das bin ich auch. Das weißt du.“
„Na also, dann besteht doch kein Grund, nicht hinauszugehen.“
Beth gab sich geschlagen. Gegen Karen war sie noch nie aufgekommen.
In den Ankleideräumen ging es drunter und drüber. Die Mannequins schnatterten alle durcheinander, während noch die letzten Änderungen vorgenommen wurden. Beth sah verzückt auf einen juwelenbesetzten Abendponcho.
„Verflixt noch mal, kannst du denn nicht gerade stehen!“ schimpfte Karen, die an einem Rocksaum herumzupfte. „Es kann nicht das Kleid sein. Es liegt an dir.“
Das Mädchen änderte die Stellung, und Karen stöhnte.
„Hier!“ sagte Beth. „Die Schulter.“
Sie ergriff eine Schere und zog einen Heftfaden heraus. Der Rock fiel sofort glatt herab.
Die Augen des Mädchens weiteten sich. Bisher hatte Beth niemand erkannt. Hinter dem Vorhang hörte man Marqs Stimme die letzten Anweisungen geben.
Eigentlich hatte Beth nur ein paar Minuten bleiben wollen, aber am Schluss der Schau war sie immer noch da.
Marq bekam rauschenden Beifall, und in den Kabinen herrschten Jubel und Heiterkeit.
Als Karen
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