008 - Wasser für Shan
gelungene Projektion«, gähnte er zustimmend. »Wir sollten der Illu-Abteilung ein großes Lob aussprechen.«
»Ja«, rekelte sie sich auf dem Bett, »endlich hatte ich einmal das Gefühl, von wirklichen Shanern und nicht von Projektionen unserer selbst umgeben zu sein.« Sie setzte sich auf der breiten Liege auf und blickte ihm ins Gesicht. »Es war romantisch«, fuhr sie fort. »Sie alle setzten ihr Leben nur für uns auf der Metallinsel ein. Ihre Gefühle waren so stark! Wie stark könnten sie erst sein, wenn sie nicht durch Projektoren abgeschwächt werden!«
Er lächelte. »Du meinst, wir sollten zu einer ähnlichen Reise aufbrechen?« Insgeheim war er zufrieden über ihre Reaktion; hatte er doch geplant, die Bürger Shans auf die neue Illusionsprojektion der Wirklichkeit vorzubereiten. »Auch, solange uns die Zentrale solche Erlebnisse liefert?«, fragte er, um sie zu prüfen.
Seine Gespielin zuckte die Schultern.
Kurz darauf erloschen die Projektionen. Shabazed richtete sich missmutig hoch, wusste er doch, dass er sich nun dem langen Tag zu stellen hatte. Auf seine eigene Veranlassung hin durften die Projektoren nur noch nachts in Betrieb genommen werden.
Schweigend setzten sie sich an den Frühstückstisch und schlangen den Nährbrei herunter.
»Du bist ein Versager«, erklärte das Mädchen plötzlich. »Ich weiß nicht, warum ich mich noch mit dir abgebe. Da draußen sind mutige, starke Männer, die selbst den Tod in Kauf nehmen, um Shan zu dienen. Du aber fällst schon in Ohnmacht, wenn du einen Schritt an die Außenwelt setzen sollst.«
»Immerhin bin ich Konsortiumsvorsitzender«, sagte er.
Mit verträumten Augen lehnte sich das Mädchen gegen die Seitenwand. »Ich glaube, ich werde zu einem von denen gehen, die von ihrem Einsatz zurückkommen.«
»Von denen kommt keiner mehr zurück.«
Sie blickte ihn zornig an, doch ihre Wut schwand genauso schnell, wie sie gekommen war. Zu deutlich spürte sie, dass sie durch ihre Sehnsüchte und Ängste an den Konsortiumsvorsitzenden gekettet war; immerhin konnte sie ihn dann und wann überreden, ihr zwei oder drei zusätzliche Projektionsstunden zu gewähren.
Jetzt aber wagte sie sich nicht, eine solche Bitte an ihn zu richten; warum hatte sie ihn auch durch ihre unbedachten Worte verärgern müssen?
»Ich muss gehen«, sagte er. »Schließlich warten auf den Konsortiumsvorsitzenden gewisse Pflichten.«
Sie nickte und sah ihm nach, wie er die Kuppel verließ; lange blieb sie an dem Tisch sitzen und durchlebte noch einmal die vergangenen Abenteuer. Je mehr sie sich mit den Gestalten ihrer Träume beschäftigte, desto genauer konnte sie sie sich vorstellen; manchmal ertappte sie sich sogar dabei, wie sie sich mit ihnen unterhielt, als ständen sie direkt neben ihr. Gewissermaßen traf das auch zu; sie waren das einzig Wichtige in ihrem Leben, während sie Shabazed nur duldete, die gelegentlichen Auseinandersetzungen mit ihm zunehmend irrealer wurden, traumhafte, beängstigende Erlebnisse in einer monotonen Alptraumwelt.
*
Als Shabazed am Abend in die Kuppel zurückkehrte, hatte er sich weniger mit den täglichen Problemen der Konsortiumsführung beschäftigt als mit dem Versuch, die Art der nun kommenden Illusion zu bestimmen. Für einen Schwächling gehalten zu werden, hatte ihn tief getroffen. Karina, seine Gefährtin, durchschaute die geschickten Schachzüge nicht, die er in die Wege geleitet hatte, konnte sie gar nicht durchschauen.
Oder, fragte er sich, hatte sie sie doch durchschaut? Lag ihm in Wirklichkeit nichts daran, Shan eine Zukunft zu ermöglichen? War er nicht – wie alle anderen Shaner der Kuppeln ebenso – nur daran interessiert, immer neue, immer geschicktere Illusionen auszukosten?
Unsinn , sagte er sich.
Aber ihr Vorwurf hatte ihn gekränkt. Um von ihr wieder im richtigen Licht gesehen zu werden, gab es nur eine Möglichkeit: Er musste ihr das Leben retten, sie vor einer Katastrophe bewahren, einer Katastrophe, dachte er, wie sie die Männer draußen ständig erlebt hatten.
Er betrachtete die getönten Kuppelwandungen. Die Männer der Einsatzgruppe hatten Gefahren für Shan überstanden; am besten würde es also sein, die Katastrophe möglichst realitätsnah projizieren zu lassen, vielleicht sogar in einer Szenerie, die sie beide als ihren Alltag erkannten. Es musste also, so folgerte er, ein kleiner Unfall in ihrem Wohnbereich simuliert werden.
Ein Unfall welcher Art? Er konnte sich keine echte Gefahr vorstellen, in
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