0082a - Amoklauf in der Todeszelle
»Rein ins Vergnügen!«
Ihre Augen flackerten. Hunger! stand in ihren ausgemergelten, unrasierten Gesichtern zu lesen. Durst! verriet die trockne Gier ihrer halboffenen Münder. Sie huschten geduckt auf das Farmgebäude zu, liefen an ihm entlang und zwischen dem Wohnhaus und dem massiven Stall hindurch in den Hof.
Eine merkwürdige Stille lag über dem ganzen Komplex. In der heißen, flimmernden Luft war es ihnen, als ob sie taub geworden wären, so tief war die unnatürliche Stille, die fast greifbar auf ihnen lastete.
Jack Wright sah sich um. Er zeigte mit dem ausgestreckten Arm auf die paar Stufen, die zu einer überdachten Veranda hinaufführten. Die Gangster setzten sich in Bewegung. Das Spiel ihrer Muskeln war sichtlich erschöpft und zähflüssig.
Sie gerieten in eine Küche.
»Brot!« keuchte Antonescu, als er das angeschnittene, kräftige Bauernbrot auf dem Tisch entdeckte. Er stürzte sofort darauf zu.
»Komm, Johnny«, sagte Jack verächtlich. »Wir müssen erst ein Gewehr finden! Laß die Bande fressen!«
»Ja, Jack«, sagte der jüngere der beiden Wrights gehorsam.
Sie rissen die nächste Tür auf und gelangten in einen Flur. Ein Vorratsraum wurde von ihnen flüchtig zur Kenntnis genommen.
Aber dann standen sie im Wohnzimmer. An der Wand hingen zwei Gewehre. Sie rissen sie herunter und sahen nach. Die Waffen waren nicht geladen.
»In der Kommode!« rief Jack und riß die Schubladen heraus.
Berge von Tischdecken und Kissenbezügen flogen achtlos ins Zimmer. Auf einmal stieß Jack einen triumphierenden Ruf aus. Er hielt zwei Patronenschachteln hoch. Sie luden die Gewehre und stopften sich die restlichen Patronen in die Taschen.
»So«, sagte Jack zufrieden. »Und jetzt wollen wir mal den Verein in Schwung bringen. Diese blöde Gesellschaft stürzt sich übers Fressen her, als ob wir hier zu Hause wären! Wenn jetzt ein Polizist zufällig hereinkäme!«
»Stop, Boys!« rief Jack, als sie mit den Gewehren wieder die große Küche betraten. »Vielleicht denkt einer von euch äuch mal eine Sekunde daran, daß wir hier keineswegs sicher wie in Abrahams Schoß sind. Wolters, nimm dir meinetwegen was zu beißen mit. Du gehst raus in den Hof und beobachtest die Zufahrtsstraße. Wenn du jemand siehst, pfeifst du kurz! Klar?«
Guy Wolters schlang gierig das Stück Wurst hinab, das er sich gerade abgebissen hatte. Er setzte eine blecherne Kaffeekanne an den Mund und trank so hastig, daß ihm der schwarze Kaffee rechts und links übers Kinn und den Hals hinablief.
»Okay, Jack«, stieß er hervor, als er endlich fertig war.
»Johnny durchsucht mit Antonescu die anderen Gebäude. Stein und ich nehmen uns die obere Etage und den Keller vor. Wir treffen uns auf dem Hof. Johnny, vermeide es nach Möglichkeit zu schießen! Das macht zuviel Krach!«
»Ja, Jack«, erwiderte der Jüngere gehorsam. Es gab nicht viele Leute, die sich rühmen konnten, von ihm je viel mehr als sein ewiges ,Ja, Jack’ gehört zu haben.
Der Rumäne dachte nicht daran, die Dauerwurst loszulassen, die er sich aus einem Fach eines Kühlschrankes hervorgezerrt hatte. Mit vollem Mund kauend stolperte er hinter Johnny her hinaus in den Hof.
Der Zufall wollte es, daß sich Johnnys Schritte zuerst auf die nächste Scheune richteten. Aber weder in ihr noch in den beiden anderen stießen sie auf einen Menschen. Erst ganz zuletzt gingen sie auf den Stall zu. Zu dieser Zeit hatten Wolters und Jack Wright bereits ihre Durchsuchung des Hauptgebäudes abgeschlossen. Sie kamen die Verandastufen herunter.
Zusammen zerrten sie die Stalltür auf. Zusammen traten sie über die Schwelle. Die beiden Frauen und der Junge, die in einer hinteren Ecke des Stalles zusammenstanden, schienen sie nicht zu hören. Die Frau des Farmers wischte sich gerade mit dem nackten, kräftigen Unterarm den Schweiß von der Stirn und seufzte.
»Puh, das war ein hartes Stück Arbeit…«
Niemand von den Gangstern konnte das junge Kalb sehen, das vor wenigen Minuten erst geboren worden war. Aber die Frauen und der Junge blickten noch immer wie gebannt auf das; kleine, rührend hilflose Tier.
Bis Jack plötzlich sagte:
»Kommt mal zu euch! Und Schnauze halten, wem das Leben lieb ist! Los, herkommen! Aber ein bißchen plötzlich!«
Er hatte wieder den kalten Blick, der nichts Menschliches hatte. So etwa, dachte Guy Wolters erschrocken, so etwa muß es aussehen, wenn jemand gar keine natürlichen Augen hat. Lebloser kann der auch nicht blicken.
Und gefühlloser schon
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