0084 - Schreie in der Hexengruft
Flasche zwischen Idrinas Lippen und ließ die teuflisch zusammengestellte Flüssigkeit in Idrinas Kehle laufen.
Das Mädchen mußte schlucken, wenn es nicht ersticken wollte.
Das Zeug brannte wie Feuer. Es war Idrina, als habe man ihr eine glühende Fackel in den Rachen gesteckt.
Das Mädchen spürte, wie sich in ihrer Mundhöhle und in der Speiseröhre lauter kleine Bläschen bildeten. Sie glaubte, die Flüssigkeit werde alles auflösen und zerfressen.
Jetzt war das ekelhaft brennende Gesöff in Idrinas Magen gelangt.
Auch dort brannte es noch wie Feuer.
Ein jäher Schmerz zwang Idrina in die Knie. Als sie sich wieder erheben wollte, bildeten sich dichte dunkle Schleier vor ihren Augen.
Sie kippte um und blieb reglos liegen. Aber sie war noch bei Bewußtsein.
Mihaila versetzte dem Mädchen einen leichten Tritt in die Seite.
»Das ist nur zur Übung!« rief sie dem Mädchen höhnisch zu. »Du wirst so lange üben, bis du dich an nichts mehr erinnern kannst. Genieße deine Schmerzen noch ein wenig, bis du schlafen wirst. Dann sehen wir wieder nach dir.«
Sie nickte den anderen zu. Stumm verschwanden die Hexenweiber und überließen Idrina ihrem jammervollen Schicksal.
***
Idrina spürte, wie die Flüssigkeit mit dem Blut in ihren ganzen Körper gelangte. Überall spürte sie Schmerzen, überall begannen ihre Glieder zu brennen.
Dann hatte sie das Gefühl, steif zu werden.
In ihrem Zustand achtete sie nicht auf die Kälte, die vom Boden her an ihrem Körper hochkroch.
Verzweifelt versuchte sie sich wach zu halten, ihre Gedanken zu konzentrieren. Aber gleichzeitig spürte sie, wie es über ihre Kräfte ging.
»Aushalten!« sagte sie halblaut zu sich selbst. »Du mußt aushalten! Du darfst nicht aufgeben! Denk nach, wie du dir helfen kannst!«
Wild bäumte sich der Wille nach Leben und Freiheit in ihr auf.
Sie hatte gehört, wie eine der Hexen das schwere Schloß betätigt hatte.
Sie würde also niemals aus eigener Kraft aus diesem steinernen Verlies entfliehen können!
Aber wie sollte sie jemand auf sich aufmerksam machen?
Gequält streifte ihr Blick durch das steinerne Gefängnis. Hier brannte kein Licht. Aber ein schwacher Lichtschein fiel von draußen herein. Führte der Gang unterirdisch nach oben? War sie dicht unter der Erde? Sie hatte nicht bemerkt, daß der Stollen eine Steigung machte.
Sie wollte aufstehen, die Wände abtasten.
Ein jäher Schmerz warf sie augenblicklich wieder zu Boden.
Nein, sie würde es jetzt nicht schaffen.
»Schlafen!« sagte sie wieder halblaut vor sich hin. »Schlafen, und keinen Schmerz fühlen. Vielleicht geht es mir besser, wenn ich erwache. Ich werde schreien, bis mich jemand hört.«
Aber gleichzeitig wußte sie, daß dies umsonst sein würde. Das alte Bergwerk lag viel zu weit von der Straße ab. Hierher würde sich niemand verirren.
Und sie hatte es nicht mit normalen menschlichen Gegnern zu tun!
Wer würde ihr helfen, die Hexenweiber zu bezwingen? Gab es einen, der es mit dämonischen Wesen wie Baba und ihrem Gesindel aufnehmen würde?
Nein. Nein!
Und doch… fieberhaft überlegte Idrina. Es gab doch da einen Mann, den sogar die Geister und Dämonen aller Erdteile fürchteten.
Hatte man sich nicht erzählt, wie er erst vor einem Jahr die Erben des Dracula unschädlich gemacht hatte? [1]
Der Mann war Franzose, wie Idrina sich erinnerte.
Ja, er mußte der einzige sein, der ihr helfen könnte! Aber wie sollte sie sich ihm bemerkbar machen? Wie könnte er von ihrer aussichtslosen Lage erfahren?
Vielleicht war dieser Mann, dieser französische Professor, Tausende von Kilometern entfernt! Vielleicht sogar in einem anderen Erdteil?
Verzweifelt gab Idrina die Hoffnung auf. Es würde doch keine Rettung mehr für sie geben!
Und jener Mann, der die Dämonen jagte und niemals versagte, würde die Stimme der Gefangenen niemals hören können!
Wie hieß er überhaupt? Wie war gleich sein Name?
Idrina versuchte, sich zu erinnern.
Aber der Schlaf war jetzt nicht mehr aufzuhalten.
Langgestreckt lag das Mädchen auf dem feuchtkalten Boden.
Und dann – ganz plötzlich, wie in einem Bewußtseinsblitz, kurz vor dem Einschlafen, fiel Idrina der Name ein.
Der Mann, an den sie dachte, hieß Zamorra. Ja, das war der Name.
»Zamorra«, sagte sie leise.
Und dann, fast gegen ihren Willen, formte sich der Name in ihrem Mund zu einem gewaltigen Schrei.
»Zamorra!!!!« klang dieser aus Todesfurcht geborene Schrei in dem Verlies aus Stein und Dunkelheit und
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