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0085 - Der Feuergötze

0085 - Der Feuergötze

Titel: 0085 - Der Feuergötze Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Wolf Sommer
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angespannt. Vor allen Dingen achtete er auch auf sein Amulett. Wenn es sich erwärmte, wenn es begann, in feurigem Silberglanz zu erstrahlen, dann waren Manifestationen böser Mächte in der Nähe.
    Aber der magische Talisman wurde nicht aktiv, übermittelte Zamorra keine Warnung vor der Präsenz des Bösen.
    Und auch als er dumpfe Schritte hörte, die der morgenfeuchte Waldboden halb verschluckte, blieb das Amulett inaktiv. Der Tunesier, der sich jetzt in sein Blickfeld schob, war ein normaler Mensch, von dem die Mächte der Finsternis noch keinen Besitz ergriffen hatten.
    Noch nicht…
    Der Orientale trat auf den Professor zu, lächelte ihm zu, wie man einem alten Freund zulächelt. Zamorra erwiderte das Lächeln mit versteinerter Miene. Ihm war sofort klar, daß der Kerl allein gekommen war.
    »Wo ist sie?« fuhr er den jungen Mann an. Zorn brach aus seinen Augen.
    Das Lächeln des Tunesiers blieb.
    »Mein lieber Professor, Sie werden nicht erwartet haben, daß wir so einfältig sind…«
    »Wir hatten ein Tauschgeschäft vereinbart«, unterbrach Zamorra brüsk. »Zug um Zug!«
    Der Orientale nickte. »Dabei bleibt es auch. Nur daß zwischen dem ersten Zug und dem zweiten eine gewisse Zeitspanne liegt. Sie geben mir jetzt das Amulett, und in genau fünf Stunden ist Ihre Sekretärin frei. Sie müssen unser Sicherheitsbedürfnis verstehen, Professor. Ihr Ruf ist uns bekannt. Sie sind ein gefährlicher Mann.«
    Zamorra knirschte mit den Zähnen.
    »Wer gibt mir die Garantie, daß ihr Mademoiselle Duval tatsächlich in fünf Stunden freigebt?«
    »Haben Sie Vertrauen, Professor«, sagte der Tunesier allen Ernstes. »Geben Sie mir jetzt das Amulett!« Verlangend streckte er die Hand aus.
    Der Professor zögerte. Aber nur kurz. Er wußte, daß er keine andere Möglichkeit hatte, als auf die Forderung des Orientalen einzugehen. Den höchsten Trumpf in diesem hinterhältigen Spiel hielt der Komplize dieses Mannes in der Hand: Nicole.
    Dennoch mußte er zunächst einen tiefempfundenen inneren Widerstand überwinden. Eine unsichtbare Kraft schien seine Hand festzuhalten, die sich jetzt langsam der Kette näherte, an der das Amulett hing. Gewaltsam zwang er sich, die Kette zu fassen und sie sich über den Kopf zu streifen.
    Das triumphierende Leuchten in den Augen des Tunesiers entging ihm nicht.
    »Du irrst, Dummkopf, wenn du glaubst, daß du dich damit zum Herrn der Welt aufschwingen kannst«, sagte er mit klirrender Stimme.
    Der Tunesier antwortete nicht. Ruckartig hielt ihm der Professor den silbernen Talisman hin.
    »Da nimm!«
    Fast gierig riß ihm der Mann den magischen Gegenstand aus der Hand.
    »Gnade dir Gott, wenn du dein Versprechen brichst und sie nicht in fünf Stunden freigibst!«
    »Welcher Gott?« fragte der Tunesier.
    Er drehte sich auf dem Absatz um. Sekunden später war er im Schatten der Bäume verschwunden.
    ***
    Die nächsten Stunden gehörten zu den längsten in Professor Zamorras Leben. Fünfmal sechzig Minuten vergingen, ohne daß er ein Lebenszeichen von Nicole bekam.
    Er war wieder ins Schloß zurückgekehrt, ging dort ziellos umher wie ein unruhiger Tiger im viel zu engen Käfig. Unruhe und Sorge um das Mädchen fraßen ihn fast auf.
    Eine weitere Stunde zog ins Land. Und noch eine weitere halbe. Dann endlich hatte die zermürbende, nervtötende Warterei ein plötzliches Ende.
    Das Telefon schlug an. Der Professor griff danach wie ein Ertrinkender nach dem letzten Strohhalm.
    »Chef!«
    Nicoles Stimme, dünn, ein bißchen zitternd, aber auch befreit klingend.
    Der schwere Mühlenstein, der seit langen Stunden auf Zamorras Brust gelastet hatte, wurde leicht wie Flaum, wich von ihm.
    »Nicole, wo bist du?«
    »Hier unten im Dorf.«
    »Im Dorf? Aber wieso…«
    Nicole berichtete. Vor einer guten Stunde etwa war sie aus einer abgrundtiefen Ohnmacht erwacht, in die sie bereits am gestrigen Abend, kurz nachdem die Tunesier sie verschleppt hatten, gefallen war. Ihre Entführer hatten ihr ein süßliches Pulver verabreicht, das innerhalb weniger Minuten wirksam geworden war. Und wo hatte sie das Bewußtsein wiedererlangt? In der Krypta jener Kirche, vor der sich Zamorra mit dem Orientalen getroffen hatte. Durch ein zerbrochenes Fenster war sie nach draußen gelangt und dann auf dem schnellsten Weg ins unweite Dorf gewandert.
    In die Erleichterung des Professors mischte sich ein Gefühl von resignierter Bitterkeit, aber auch von loderndem Zorn. So nah war Nicole gewesen, und er hatte nicht das geringste

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