0085 - Der Feuergötze
seiner Hand intensiver. Die Haut brannte inzwischen wie Feuer.
Chedli blieb stehen, öffnete die Hand.
Ruckartig nahm er den Kopf zurück. Das schwache Glitzern des Talismans, das er bereits vorhin beobachtet hatte, hatte sich in ein Strahlen verwandelt.
Der Silberglanz war heller als das Licht der Mittagssonne. Die magischen Kräfte, die in dem Amulett schlummerten, offenbarten sich in eindrucksvoller Art und Weise.
Chedli mußte stark an sich halten, das Amulett nicht einfach fallenzulassen. Eine erste Ahnung, daß er sich hier auf Dinge eingelassen hatte, denen er vielleicht nicht so ganz gewachsen war, kam ihm. Aber noch dachte er nicht im Traum daran, von dem Weg abzugehen, den er beschreiten wollte. Er umklammerte den Talisman wieder mit fester Hand und setzte sich erneut in Bewegung.
Nach weiteren zehn Schritten - die Geröllwand lag nicht mehr weit entfernt - stockte er abermals.
Es ging nicht! Er konnte die Glut in seiner Hand nicht mehr aushalten. Wie eine heiße Kohle ließ er das Amulett los. Es fiel zu Boden.
Sofort hörte der Schmerz auf. Chedli betrachtete seine Hand. Er hatte ein paar entsetzliche Brandblasen erwartet, mußte aber zu seiner Überraschung feststellen, daß die Haut völlig unversehrt war. Magisches Feuer hinterließ ganz offensichtlich keine sichtbaren Spuren.
Er biß die Zähne zusammen, bückte sich, hob den Talisman wieder auf. Mit unverminderter Intensität kehrte der Schmerz zurück. Zu intensiv für ihn.
Zähneknirschend trat er den Rückzug an. Je weiter er sich von der Geröllwand entfernte, desto mehr ließ das Brennen nach. Als er die Villa fast wieder erreicht hatte, erinnerte nur noch das leichte Prickeln daran, daß er einen Gegenstand in der Hand hielt, der mehr war als nur ein herkömmliches Schmuckstück.
Sidi Ahmed ben Chedli war kein Mensch, der Niederlagen einfach so hinnahm. Rückschläge waren dazu da, überwunden zu werden. So hatte er es immer in seinem Leben gehalten. Die großen Erfolge, die er erzielt hatte, gaben ihm recht. Wenn ein Ziel nicht auf geradem Weg erreicht werden konnte, dann mußte man eben einen Umweg machen. Und wenn man selbst nicht in der Lage war, etwas zu tun, dann mußte man jemanden finden, der einem die Arbeit abnahm. So einfach war das.
Von der Terrasse aus winkte er einem Diener, der dabei war, in der Halle die echten phönizischen Amphoren abzustauben. Der Bedienstete eilte herbei.
»Ja, Sidi?«
»Hol mir Djamaa her!«
»Sofort, Sidi.« Der Diener entfernte sich.
Eine andere Person kam aus dem Haus. Ein schlankes, bildhübsches Mädchen mit glutvollen Augen. Chedlis Herz ging auf, wenn er das Mädchen sah. Ahlem war schon immer seine Lieblingstochter gewesen.
»Vater…«
»Ja, meine Tochter?«
»Du siehst bedrückt aus, Vater.«
»Bedrückt?« Chedli bemühte sich, eine gleichmütige Miene zur Schau zu stellen. »Warum sollte ich bedrückt sein? Ein Mann, der eine so schöne Tochter sein eigen nennen kann…«
Ahlem blickte ihn ungewöhnlich ernst an. »Du lenkst ab, Vater! Ist es wegen des verschütteten Baaltempels? Hat es Ärger gegeben mit dem Zauberdings dieses Professors?«
Chedli versetzte es einen Schlag. Woher wußte Ahlem von dem Amulett?
»Zauberdings des Professors?« echote er mit gespielter Verwunderung.
»Zamorra oder so. Du weißt genau, was und wen ich meine, nicht wahr?«
Er kannte seine Tochter. Wenn es sein mußte, konnte er jedem etwas vormachen, ihr jedoch nicht.
»Woher weißt du von diesen Dingen, Ahlem?« fragte er mit einer gewissen Strenge in der Stimme. Er blickte sich prüfend um. Zeugen dieses Gesprächs durfte es nicht geben.
Ahlem zuckte die Achseln. »Ich war zufällig in der Nähe, als du Djamaa und Farhat den Auftrag gabst, diesem Zamorra einen… Besuch abzustatten.«
»Du hast gelauscht!«
Das Mädchen schüttelte den Kopf. »Es war reiner Zufall, Vater. Ich wollte…«
»War jemand bei dir? Ich meine, kann sonst noch jemand mitgehört haben?«
»Nicht daß ich wüßte.«
»Bestimmt nicht?«
»Nein.«
Chedli stieß hörbar die Luft aus. »Vergiß, was du gehört hast«, sagte er gepreßt. »Hast du mich verstanden?«
»Vater…«
»Kein Wort mehr darüber! Es gibt Dinge, die dich nichts angehen. Und dies ist eins davon.«
Er sah seinen Leibwächter kommen. Ahlem wurde jetzt zu einem echten Störfaktor.
»Geh ins Haus, Ahlem!« sagte er befehlend. »Du wolltest einen Teppich knüpfen, habe ich gehört? Tu das!«
Seine Tochter schlug die Augen nieder. Ihre
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