0085 - Der Feuergötze
Mundwinkel zuckten leicht.
Djamaa war zur Stelle. »Ihr habt mich rufen lassen, Sidi?«
»Ja.« Chedli nickte dem Leibwächter zu. Ahlem machte noch keine Anstalten, sich zu entfernen. Er wurde sich bewußt, daß ihr Blick auf seiner rechten Hand ruhte. Die Silberkette des Amuletts war deutlich sichtbar. Ein bißchen irritiert ließ er die Hand in der Hosentasche verschwinden. Er ärgerte sich, über sich selbst. Niemand außer Ahlem schaffte es, ihn zu irritieren.
»Ich habe dir befohlen, ins Haus zu gehen«, sagte er scharf. »Gehorchst du mir nicht mehr, meine Tochter?«
»Doch, ich gehorche«, antwortete sie leise. Sie hob die Augen, blickte ihm voll ins Gesicht. »Vater, tu nichts…«
»Geh!« donnerte Chedli.
Ahlem wandte sich um, ging. Mit einer Mischung aus Zorn und Unbehagen sah ihr Vater ihr nach.
Djamaa kam es nicht in den Sinn, sich nach dem Grund des Zerwürfnisses zwischen Vater und Tochter zu erkundigen. Er kannte seine Grenzen, wußte genau, wo er stand. Diensteifrig wartete er auf die Befehle seines Herrn und Meisters.
Es waren keine Befehle, die Chedli jetzt zu erteilen hatte. Zumindest würde sie Djamaa nicht als solche erkennen. Fast väterlich legte er die linke Hand auf die Schulter seines ergebenen Leibwächters.
»Du bist einer meiner treuesten Männer, Djamaa«, sagte er gönnerhaft. »Du hast es verdient, dabei zu sein, wenn wir das große Ziel ansteuern.«
Mit diesen Worten holte er das Amulett Professor Zamorras wieder aus der Tasche. Scheinbar tief in Gedanken verloren betrachtete er es.
»Wenn ich es mir recht überlege«, fuhr er dann fort, »dann hast du es sogar verdient, der Steuermann zu sein. Schließlich haben wir den Besitz dieses magischen Amuletts nur dir zu verdanken. Du hast es uns verschafft. Hier, nimm es!«
Er hielt dem Leibwächter den Talisman hin.
Djamaa zögerte. »Ich habe es für Euch verschafft, Sidi«, sagte er langsam.
Chedli lächelte jovial. »Keine falsche Bescheidenheit, mein Junge. Dank wem Dank gebührt. Nun nimm es schon!«
Immer noch zögernd streckte der Leibwächter den Arm aus. Chedli drängte ihm das Amulett förmlich in die Hand.
»Komm«, sagte er dann schnell und wandte sich bereits zum Gehen, »wir wollen nicht länger zögern.«
Djamaa folgte, wie ein folgsamer Hund, der hinter seinem Herrn hertrottet. Chedli merkte ihm jedoch deutlich an, daß er sich nicht sehr glücklich fühlte.
Je tiefer sie in den Garten hineingingen, desto bewölkter wurde Djamaas Miene. Ein Ausdruck unterdrückten Schmerzes trat in seine Augen.
»Stimmt etwas nicht?« fragte Chedli scheinheilig.
»Es brennt wie Feuer!«
»Schlimm?«
»N… ein.«
Chedli nickte wissend. »Das war zu erwarten. Die Kräfte des Amuletts strömen in deine Hand. Dieses Gefühl des Brennens ist jedoch nur eine sensuelle Täuschung. Sieh dir deine Hand an, Djamaa. Du wirst keine Brandblasen entdecken können.«
Der Leibwächter tat wie geheißen, öffnete die Hand. Der strahlende Silberglanz ließ ihn zusammenzucken. Argwöhnisch betrachtete er seine Hand.
»Keine Brandblasen«, stellte er fest. Er schien überrascht zu sein.
»Was habe ich gesagt? Nur eine Täuschung!«
Sie schritten weiter. Die Geröllwand kam näher und näher. Djamaa biß die Zähne zusammen. Er konnte nicht vermeiden, daß ein Stöhnen über seine Lippen kam.
Und dann standen sie vor den Gesteinsbrocken, die eine Zyklopenhand aufeinandergeschichtet zu haben schien. Oft schon hatte Sidi Ahmed ben Chedli hier gestanden, seit er von der Legende gehört hatte, daß sich hinter diesen Steinen ein uralter Tempel aus der Blütezeit des antiken Karthago verbergen sollte. Baal, der Götze der Karthager, sollte sein Heiligtum vor dem Zugriff der Römer geschützt haben.
Zuerst hatte Chedli nur gelacht. Baal? So ein Unsinn! Wer glaubte denn schon an solche Ammenmärchen. Dann aber war er schnell anderen Sinnes geworden. Die Felsbrocken ließen sich nicht bewegen, nicht mit der Spitzhacke, nicht mit Dynamit. Eine unsichtbare, undurchdringliche Haut schien die Steine zu überziehen, schien sie tatsächlich zu schützen.
Langsam war er dahintergekommen, warum dieses phantastisch gelegene Grundstück niemals einen Käufer gefunden hatte, warum es gemieden wurde wie der Ansteckungsherd einer bösartigen Krankheit. Die Furcht vor dem Unbekannten, vor dem Unverständlichen war der Grund.
Ihn aber hatte das Unheimliche nicht geschreckt. Im Gegenteil, er hatte sich herausgefordert gefühlt. Er hatte das
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