0091 - Götzen und gelbe Gangster
»… heute Nacht… Mädchen opfern… schnell… heute Nacht noch… Robson nahm sich zusammen. Mit aller Beherrschung, deren er fähig war, bemühte er sich, nicht zu laut zu sprechen. Wo können wir die Waschni-Leute finden?«, fragte er, jedes Wort deutlich betonend. »Wo? Sagen Sie nur einen Straßennamen, die ungefähre Gegend, das genügt uns. Wo sind sie?«
Das Mädchen bewegte die Lippen, Robson sah es wie in einer Großaufnahme. So nahe war er ihrem Gesicht. Aber er hörte nichts
»Bitte«, sagte er, und seine Stimme klang heiser. »Bitte. Wo finden wir die Waschni-Leute? Sagen Sie mir die Straße.«
»H…«, sagte sie.
»Hoang-Straße?«, fiel Robson schnell ein.
Am Ausdruck ihrer Augen merkte er, dass er falsch geraten hatte.
»Ho —«, hauchte sie wieder, aber sie hatte nicht die Kraft, die nächste Silbe zu formulieren.
Schon begannen sich ihre Augen manchmal eigenartig zu verschleiern. Robson dachte krampfhaft nach. Sein Mund stand offen.
»Ho-Chu-Tang-Straße?«, fragte er hastig.
Ihre Augen sagten nein.
Wieder bewegten sich ihre Lippen.
»Sie verbraucht ihre Kraft für Sie«, murmelte der Arzt.
Robson richtete sich auf.
»Zum Teufel, ich weiß«, fauchte er dem Arzt leise ins Ohr. »Aber wenn es ihr nicht gelingt, mir auch nur noch ein einziges Wort zu sagen, dann werden wir morgen wieder eine zerstückelte Mädchenleiche finden. Haben Sie’s jetzt kapiert, warum ich jetzt eine Sterbende nicht sterben lassen kann?«
Der Arzt sah Robson groß an.
»Wie…?«, fragte er, ohne den Satz zu Ende zu sprechen.
Robson nickte.
»Ja. Wie die anderen in den letzten Monaten.«
Der Arzt zögerte eine Sekunde. Dann rief er ein paar lateinische Wörter.
»Der Himmel verzeih mir’s«, flüsterte er tonlos, »ab er ich raube ihr ja nur ein paar Minuten…«
Er machte eine Injektion in den linken Arm. Es dauerte vielleicht eine Minute, da wurden die Äugen des Mädchens wieder klar. Ihr Atem ging schneller, eine hektische Röte zeigte sich in ihrem Gesicht.
»Hotel ›zur Goldenen Lotosblüte‹…«, sagte sie mit einer Stimme, die nach dem tonlosen Hauchen vorher geradezu gespenstisch fest klang. »Im Keller geht ein…«
Sie konnte nicht weiter sprechen. Ein gellender Schrei stieg von ihren Lippen auf. Für den Bruchteil einer Sekunde hallte er schaurig durch den Saal. Dann brach er mitten im höchsten Diskant ab.
Ein Zucken lief durch ihren Körper.
Robsons Gesicht war hart und kantig. Ein paar Sekunden lang stand er stumm. Dann drehte er sich plötzlich auf dem Absatz um und ging hinaus. Im Flur fing er an zu laufen.
Wie ein Besessener sprang er in den Wagen der Stadtpolizei, mit dem er von der Brücke zum Hospital gefahren war. Er klemmte sich den Hörer des Sprechfunkgerätes zwischen hochgeschobene Schulter und Ohr und rief, während er schon den Wagen startete: »Hallo! Hier spricht FBI-Lieutenant Robson, im Wagen Peter 22. Ich brauche eine Blitzverbindung mit der FBI-Leitstelle.«
»Verbinde!«, rief eine Stimme kurz und schon erwiderte eine andere. »FBI-Leitstelle.«
»Hier ist Robson. Alarm für alle Einheiten des Bereitschaftsdienstes. Den Chef anrufen. Soll sofort ins Districtsgebäude kommen. Jeden dienstfreien G-man zu Hause anrufen. In der Waffenkammer sämtliche Maschinenpistolen aufladen. Die Leiter der einzelnen Bereitschaften sollen in meinem Office auf mich warten. Ich bin in zehn Minuten da.«
»Wiederhole…«, sagte der Beamte in der Leitstelle und sagte alles noch einmal, was Robson befohlen hatte.
»Yeah«, bestätigte Robson grimmig. »Und jetzt Blitz Verbindung mit dem Boss der California State Police.«
Diesmal dauerte es etwas länger. Dann meldete sich Colonel Masters.
Robson nannte seinen Namen und fügte hinzu: »Sir, es ist mir endlich gelungen, eine entscheidende Spur jener Leute zu finden, die wahrscheinlich für die Ritualmorde verantwortlich sind, von denen ich in meinen vertraulichen Rundschreiben berichtete. Heute Nacht soll ein neuer Ritualmord durchgeführt werden. Ich brauche Verstärkung.«
»Hm«, knurrte der alte Polizeiofficer. »Von wem haben Sie denn die Neuigkeit?«
»Von einer jungen Chinesin, die diesen Leuten entkommen konnte.«
»Glauben Sie an den Weihnachtsmann? Wo ist denn das Mädchen jetzt?«
»Sie starb vor drei Minuten. Ihre letzten Worte bezeichneten unseren Einsatzort, Sir.«
»Oh, das ist was anderes. Eine Sterbende wird kaum lügen. Wenn man stirbt, hat man wohl andere Interessen, als die Polizei an der Nase
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