0092 - Arena der Verdammten
gehe ich keiner geregelten Arbeit mehr nach. Ich bluffe die Leute, wohne in teuren Hotels wie diesem, leiste mir Dinge, die ich mir auf Grund meiner deprimierenden finanziellen Situation nicht leisten dürfte, lege jeden herein, der mir über den Weg läuft, lüge, betrüge…«
Tanja Solares unterbrach Cannons Wortschwall mit einer raschen Handbewegung.
Tony mißverstand das. »Sie glauben mir nicht?« fragte er heiser.
»Es interessiert mich nicht«, erwiderte die Tänzerin gleichmütig.
Da packte er alles aus, was er gestohlen hatte. »Hier! Hier! Hier! Und hier!« Er knallte den gesamten Schmuck vor Tanja auf den Tisch. »Damit ich wenigstens einmal im Leben die Wahrheit gesagt habe. Glauben Sie mir jetzt?«
»Ich sagte, es interessiert mich nicht.«
Er starrte sie verdattert an. »Ja, verstehen Sie denn nicht? Ich habe Sie bestohlen!«
»Sie haben mir das Leben gerettet, das zählt in meinen Augen hundertmal mehr.«
»Sie machen mich mit Ihrer verdammten Dankbarkeit noch wahnsinnig!« schrie Cannon wütend. Er wies auf das Telefon. »Warum rufen Sie nicht endlich jemanden, der mich abholt.«
»Dazu liegt nicht die geringste Veranlassung vor, Mr. Cannon.«
Tony ächzte. Er massierte seinen Nacken und blickte zur Decke. »Ich glaube, ich träume.«
»Warum können Sie nicht verstehen, daß ich mich Ihnen zu Dank verpflichtet fühle?« fragte die Tänzerin. »Ich hänge nicht besonders an meinem Schmuck. Ich trage ihn bloß, weil die Leute mich so sehen wollen, aber es besteht keinerlei Beziehung zwischen mir und meinen Juwelen. Sehr wohl aber hänge ich an meinem Leben, und das haben Sie mir wiedergegeben…« Tanja wies mit den Augen auf den Schmuck. »Ich möchte, daß Sie das behalten.«
Die Situation wurde immer verrückter. Cannon schüttelte heftig den Kopf. »Das kommt überhaupt nicht in Frage!«
»Sie haben eine Belohnung verdient.«
»Tut mir leid. Ich kann Ihre Ansicht nicht teilen.«
Tanja Solares senkte ihre Stimme. Nachdenklich murmelte sie: »Man sollte dieses Hotel verlassen…«
»Das ist Ihre erste blendende Idee«, sagte Cannon mit gebleckten Zähnen. »Ich wäre auch längst von hier abgehauen, wenn ich das Geld beisammen hätte, um die Hotelrechnung bezahlen zu können.«
Die Tänzerin hakte sofort ein. »Lassen Sie mich das übernehmen.«
Auch ein Hochstapler hat seinen Stolz. Entrüstet lehnte Tony Cannon dieses Angebot ab. Sarkastisch sagte er: »Wenn Sie das tun, können Sie bei einem neuerlichen Selbstmordversuch nicht mehr mit mir rechnen!«
***
Professor Zamorra warf das übliche Reisegepäck in den Kofferraum seines Citroën DS 21. In seiner Reisetasche befanden sich unter anderem einige Gegenstände, die den Requisiten der Weißen Magie zugeordnet werden konnten; es gab eine Bibel, mehrere Dämonenbanner, eine Pistole, die mit geweihten Silberkugeln geladen war. Es wäre unvernünftig gewesen, dieses Sammelsurium zu Hause zu lassen, denn jedes einzelne Ding hatte dem Professor irgendwann schon mal das Leben gerettet.
Nicole Duval brauchte mal wieder besonders lang mit dem Make up.
Zamorra saß bereits hinter dem Lenkrad. Der Citroën stand im Burghof, und der Professor trommelte ungeduldig mit den Fingern auf das Armaturenbrett. Er gewährte seiner Assistentin zusätzliche fünf Minuten. Als sie danach immer noch nicht erschien, drückte er mal kräftig auf die Hupe, daß die Dachziegel von Château de Montagne klapperten.
Das wirkte.
Nicole tauchte auf.
»Na endlich!« murrte Zamorra.
Das hübsche Mädchen schmunzelte. »Da ich von Natur aus nicht so schön bin wie du, muß ich ein bißchen nachhelfen. Und das dauert eben seine Zeit.«
Zamorra schenkte sich eine Erwiderung, er seufzte nur schwer und zündete die Maschine. Nachdem der Citroën das riesige Burgtor passiert hatte, stieg Zamorra schnell aus, um das Tor für die Dauer seiner Abwesenheit zu schließen. Den Schlüssel legte er ins Handschuhfach seines Wagens, und dann ging es ab - geradewegs nach Paris.
Die Tickets nach New York waren telefonisch bestellt.
Zamorra holte sie ab.
Dreißig Minuten später wurde ihr Flug aufgerufen. Kurz darauf ließen sie Orly hinter sich. Nicole saß mit geschlossenen Augen neben dem Professor. Ihr Kopf lag auf der weichen Lehne. Sie schlief nicht, sondern ließ ihre Gedanken vorauseilen.
Nach New York.
Wo ein neues Abenteuer auf sie wartete…
***
Er war sicher, daß er die rätselhafteste Frau seines Lebens kennengelernt hatte, als er Tanjas Suite verließ.
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