0092 - Arena der Verdammten
nicht feststellen, auf mich aber bestimmt. Seit ich hier wohne, fühle ich mich nicht wohl. Dieses Hotel beunruhigt mich. Ich schlafe nicht gut. Ich fühle mich ständig beobachtet, belauert, bedroht. Das alles wirkt sich katastrophal auf meine künstlerische Leistung aus. Ich tanze merkbar schlechter, seit ich mich in dieses Hotel einquartiert habe… Hin und wieder befallen mich schwere Depressionen, die mir grundlos die Tränen in die Augen treiben…«
Tanja blickte Cannon voll ins Gesicht. Angst lag auf ihren Zügen.
»An keinem anderen Ort hätte ich versucht, mir das Leben zu nehmen, das ist gewiß. Ich verabscheue einen solchen Schritt von ganzem Herzen und es erschüttert mich deshalb zutiefst, daß gerade ich diesen furchtbaren Schritt tun wollte… Sie haben mir das Leben gerettet. Ich weiß nicht, wie ich Ihnen das jemals danken kann.«
Cannon fühlte sich mit einemmal elend in seiner Haut.
Verdammt noch mal, er war ein Schurke. Er hatte einen miesen Charakter. Die Juwelen, die er geklaut hatte, brannten ihm langsam Löcher in die Taschen. Es war wahrlich kein Grund vorhanden, dankbar zu sein. Er hatte Tanja bestohlen. Sie wußte es nur noch nicht.
Nervös setzte er das Bourbonglas an die Lippen, und er trank es auf einmal aus.
Dann ging er, um sich eine neue Füllung zu holen. Er brauchte sie einfach, um sich nicht selbst anzuspucken.
»Etwas hat mich dazu gezwungen!« stellte Tanja Solares heiser fest.
»Etwas?«
»Mein Geist mußte irgendeinem Befehl gehorchen!« behauptete die Tänzerin.
»Es wird Ihr Unterbewußtsein gewesen sein.«
Tanja schüttelte ernst den Kopf. »Es kam nicht aus mir. Es kam von außen. Es kam von diesem Hotel.«
»Das ist doch Unsinn!« sagte Cannon unwillig.
»Ich sage Ihnen, mit diesem Hotel stimmt etwas nicht. Dieses Gebäude ist von einer Aura des Grauens umgeben. Haben Sie hier schon mal jemanden mit einem fröhlichen Gesicht gesehen?«
Cannons Wangenmuskeln zuckten. Jetzt, wo Tanja ihn darauf aufmerksam machte, mußte er zugeben, daß er bereits ähnlich gedacht hatte. Fröhlich war hier noch niemand gewesen. Auch er nicht. Diese Erkenntnis beunruhigte ihn schon seit einiger Zeit. Konnte wirklich ein Hotel auf einen Menschen eine solche Ausstrahlung haben? Konnte man tatsächlich das Hotel »Residence« für diesen Selbstmordversuch verantwortlich machen?
Darauf mußte Cannon wieder was trinken.
Tanja blickte auf ihre Uhr. »Wie lange hätte es mit mir gedauert, bis ich…«
Cannon zuckte die Achseln. »Ich habe keine Vergleichsmöglichkeit. Fünfundvierzig Minuten vielleicht. Oder eine Stunde. Länger nicht, da bin ich fast sicher.«
»Dann wäre es jetzt schon fast vorbei mit mir.«
»Vermutlich ja.«
»Ich möchte Sie auf beide Wangen küssen.«
Cannon fuhr sich benommen über die Augen. Sein Atem ging schnell. Er leckte sich aufgewühlt die Lippen, und dann brauste er auf: »Verflucht noch mal, hören Sie auf, mich als edlen Ritter hinzustellen.«
»Ich kann meinen Lebensretter nicht mit anderen Augen sehen.«
Cannon trank wieder hastig. »Herrgott noch mal, warum fragen Sie mich nicht endlich, wieso ich mich mitten in der Nacht in Ihrer Suite aufhalte? Interessiert Sie das denn nicht?«
»Ich muß froh darüber sein, daß Sie zur rechten Zeit hier waren, sonst…«
Cannon winkte hastig ab. »Ja, ja. Schon gut.« Er konnte das schon nicht mehr hören. Und er wollte vor allem keinen Dank haben. Das war doch absurd. Tanja Solares bedankte sich dafür, daß er sie bestohlen hatte. Der Bourbon erzeugte eine große Hitze in seinem Kopf und trieb ihm den Schweiß auf die Stirn.
Zum Teufel, da mußte jetzt endlich reiner Tisch gemacht werden.
Er mußte Tanja reinen Wein einschenken, was auch immer danach passieren würde.
Schnell trank er den restlichen Bourbon aus. Das Glas stellte er hart auf den Couchtisch. Er beugte sich über die Tänzerin und hielt ihr seine geröteten Wangen hin. »Okay. Sie dürfen mich küssen.«
Sie tat es. Ihre Lippen waren kühl. Die Küsse elektrisierten ihn, und er zuckte heftig zusammen.
Anschließend richtete er sich kerzengerade auf. Mit funkelnden Augen sagte er glashart: »So. Und wissen Sie nun, wen Sie soeben geküßt haben?«
»Tony Cannon, meinen Lebensretter.«
»Nein!« lachte der Hochstapler gallebitter. »Sie küßten Tony Cannon, den Dieb! Jawohl, Lady. Ich bin in Ihre Suite durchs Fenster eingestiegen, um mir ein bißchen was von Ihren Juwelen zu holen. So sieht's aus! Davon lebe ich. Seit Jahren
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