0097 - Das Höllentor
schließlich das Zeichen seiner Würde und Macht.
Der Araber hob die Peitsche. Aber der Mann zeigte nicht eine Spur von Furcht.
»Du bist hinterhältig und grausam, Jussuf, das weiß jeder. Aber du wirst nicht feige sein. Du wirst nicht einen wehrlosen Mann schlagen. Dazu bist du ein zu guter und stolzer Krieger.«
Ben Jussuf wußte nicht, ob mehr Warnung oder Hohn in dieser Stimme war. Aber er ließ die Peitsche tatsächlich sinken.
»Und nun zum letztenmal: her mit dem Mädchen Yurina!« schnauzte er den Mann an.
»Ich bedaure, Jussuf. Es ist, wie ich sage. Ich lüge nie. Yurina ist nicht hier. Willst du die anderen Mädchen sehen?«
»Die sind in Sicherheit«, sagte Ben Jussuf höhnisch.
»Diesmal hast du recht, Jussuf«, kam die Antwort. »Sie sind wirklich in Sicherheit. Aber nicht in dem Berg, wie du meinst. Nicht bei der Arbeit, für die du sie geraubt hattest. Sie haben den Berg verlassen. Alle haben den Berg verlassen. Es wundert mich, daß du es nicht weißt.«
Ben Jussuf starrte den Mann an, als sehe er ein Gespenst.
»Dann zeige mir die Mädchen, wenn du kannst«, schrie er auf den Mann ein. »In einer Minute will ich sie sehen, oder du bist ein toter Mann. Und wir werden hier alles dem Erdboden gleich machen.«
»Wie du wünschst, Mädchenräuber«, sagte der Mann. Daraufhin entfernte er sich.
Im gleichen Augenblick kamen Yamun und sein Sohn aus einem der Zelte. Sie taten zunächst so, als bemerkten sie Ben Jussuf und seine Reiter gar nicht.
Vollkommen ruhig gingen sie hinter die Zelte, wo die Stallungen für die Pferde und Kamele lagen. Sie ließen die Pferde heraus, führten sie vor die Zelte und Hütten.
Dann sah Yamun Vater zum erstenmal auf die ungebetenen Gäste.
»O, Besuch?« sagte er und gab sich erstaunt. »Was bringt mich zu dieser Ehre, Jussuf? Willst du meine dritte Tochter auch noch rauben?«
»Genau das will ich«, sagte der Araber.
»Aber mein Stallmeister hat dir doch soeben gesagt, daß sie nicht hier ist?«
»Ich verliere gleich die Geduld!« brüllte Ben Jussuf los. »Seid ihr hier alle wahnsinnig geworden?«
»Das kann ich mit Recht verneinen, Jussuf. Ich schätze vielmehr, daß du in wenigen Minuten dem Wahnsinn ein Stück näher sein wirst.«
»Laß den Unfug endlich, Yamun! Bring mir das Mädchen her, oder ich hole es mir!«
»Du wirst dir gar nichts mehr holen, Schurke! Nicht heute und nicht später. Nicht bei mir und nicht bei anderen. Deine Schreckensherrschaft ist aus, Jussuf. Und jetzt werde ich dir Raita und Faziah zeigen, wenn du es wünschst.«
»Ich wünsche es nicht! Ich befehle es!« schrie Ben Jussuf außer sich.
In aller Ruhe ging Yamun Vater zu einem der Zelte. Sein Sohn blieb zurück, um notfalls die Reiter zu rufen.
Dann trat der alte Yamun wieder aus dem Zelt. An seiner Seite gingen Raita und Faziah.
Ben Jussuf traute seinen Augen nicht.
»Wie kommt ihr hierher?« fragte er völlig verblüfft.
»Mit dem Jeep«, sagte Raita. »Wie denn sonst? Meine Kamelstute habt ihr ja gestohlen.«
»Ihr seid nicht im Berg?«
»Wie du siehst.«
»Und wie seid ihr herausgekommen?«
»Genau wie die anderen. Zu Fuß.«
»Freche Dirne!« schrie Ben Jussuf. »Wie war es möglich, daß ihr befreit wurdet?«
»Ganz einfach, Jussuf. Wir haben uns den anderen angeschlossen, als der Zug aus dem Berg ging.«
»Das sage mir noch einmal, Raita.«
»Du hörst es ja. Wir sind mit den Wächtern aus dem Berg gegangen. Und zwar auf dem gewohnten Weg. Dem Weg, den die Furien uns immer führten.«
»Und die Furien sind auch aus dem Berg heraus?«
»Natürlich«, sagte Raita und schenkte ihm ein bittersüßes Lächeln.
»Nehmt sie gefangen!« schrie Ben Jussuf.
Aber da standen Yamun und sein Sohn bereit. In ihren Händen blitzten Krummsäbel auf, drohend, unzweideutig.
»Einmal habt ihr das Mädchen bekommen, Jussuf. Jetzt bekommt ihr nichts mehr. Und mein Wasser grabt ihr mir auch nicht mehr ab. Ihr wolltet die Oase trockenlegen, Menschen und Tiere verdursten lassen. Jetzt bekommt ihr die Rechnung dafür.«
»Die Rechnung?« rief Ben Jussuf höhnisch. »Welche Rechnung? Willst du uns verprügeln, he? Wir sind zwanzig Mann, wie du siehst. Oder willst du deinen lahmen Stallmeister zu Hilfe holen?«
Die Araber stimmten ein dröhnendes Gelächter an.
»Ihn nicht«, sagte Yamun gefaßt. Er sprach laut genug, daß seine Männer jedes Wort hören konnten.
»Und wer sollte es mit uns aufnehmen, Yamun? Du und dein Sohn?«
»Gewiß, Jussuf. Wir beide bestimmt.« Er
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