0097 - Wir sprangen dem Tod ins Genick
stand auf.
»Die Sache ist im Grunde ganz einfach«, sagte er, während er im Wohnzimmer auf und ab ging. »Daß eine Bande vorhanden ist, dafür haben wir genügend Anhaltspunkte. Mit der Mitarbeit der Bevölkerung brauchen wir nicht zu rechnen, weil sie von der Bande eingeschüchtert ist. Also muß es ohne Zeugen gegen die Bande gehen. Und dazu habe ich schon einen Plan.«
Er blieb stehen, fischte sich eine neue Zigarette aus dem Päckchen und rauchte sie an.
»Ich werde heute nacht versuchen, das Hauptquartier der Bande zu entdecken. Ich habe mir eine Skizze gemacht, danach teile ich meinen Rundgang ein. Wenn es mir gelingt, das Home der Bande zu finden, dann kann ich es von ein paar Verbindungsleuten beobachten lassen. Ich werde erfahren, wann sich die Bande immer trifft. Und eines Abends wird ihr Home umstellt sein. Wir holen sie heraus unter irgendeinem fadenscheinigen Vorwand. Da fällt mir schon noch was ein. Wir durchsuchen sie, und ich wette tausend zu eins, daß wir mindestens die Hälfte der Bandenmitglieder wegen unerlaubten Waffenbesitzes für ein paar Wochen hinter Gitter schlicken können. Inzwischen vernehmen wir die anderen gründlich, finden hoffentlich Widersprüche in den verschiedenen Aussagen und vielleicht auch ein paar von der Bande geschädigte Leute, die dann wagen, ihre Aussage zu machen —, und dann können wir den Rest der Bande auch noch zerschlagen. So ungefähr hatte ich mir das gedacht. Die Bande ist in meinem Revier, ich bin der Leiter der Kriminalabteilung im Revier, folglich ist es meine Aufgabe, mit der Bande fertigzuwerden.«
Er blieb wieder stehen und sah seine Frau an.
»Oder bist du anderer Meinung?« fragte er ernst.
May sah ihm lange in die Augen, dann schüttelte sie leicht den Kopf: »Wenn du glaubst, daß du es tun, mußt, dann sollst du es tun, Rock. Ein Mann muß seinen Weg gehen.«
Er kam zu ihr, zog sie zärtlich an sich. »Du bist eine wundervolle Frau«, sagte er leise.
Sie küßte ihn. In ihren Augen schimmerte es feucht. Mit Herzklopfen sah sie zu, wie er sich gleich darauf sein Schulterhalfter mit der Dienstpistole umband. Mit dem feinen Instinkt der liebenden Frau hatte sie etwas erkannt, was Rock vor sich selbst nicht zugeben wollte: zum ersten Male in seiner Dienstzeit hatte er Angst, richtiggehend Angst.
Angst, daß er von diesem Weg nicht zurückkommen könnte.
***
Er fing um halb neun in McKinsleys Kneipe an. Das Lokal bestand aus zwei mittelgroßen Räumen, die durch eine Schiebetür miteinander verbunden waren. Meistens stand die Tür aber offen, so daß man von einem Raum in den anderen blicken konnte.
Rock stellte sich an die Tlieke und ließ sich einen Whisky einschenken. Der Wirt kannte ihn und fragte mißtrauisch:
»Na, Mr. Billing, auch wieder auf Tour?«
»No«, sagte Rock kopfschüttelnd. »Ich wollte nur noch ein bißchen an die Luft. Hab' heute den ganzen Tag im Office gesessen, da muß man wenigstens abends noch ein bißchen frische Luft schnap…«
»Ja, ja, das ist wahr«, nickte der Wirt. »Frische Luft ist gesund.«
Alter Heuchler, dachte Rock. Er sähe mich lieber gehen als kommen. Natürlich wagt er nicht, es einzugestehen, denn mit mir will es keiner verderben. Aber ich merke auch so, daß er mich nicht riechen kann. Seit er damals hundert Dollar Strafe bezahlen mußte für den Ausschank von unverzollten englischen Whisky, seitdem sieht er in mir nur noch seinen Feind. Dabei hätte ich ihn ebensogut für zwei Monate ins Gefängnis bringen können. Nur, meiner Gutmütigkeit hat er es zu verdanken, daß er mit einer Ordnungsstrafe von hundert Scheinchen davonkam. Na ja, so sind die Leute nun mal.
Er wollte zahlen und faßte in die Hosentasche, um eine Münze hervorzuholen. Es war aber nur noch ein einziges Fünf-Cent-Stück vorhanden. Seufzend zog er seine Brieftasche und entnahm ihr den letzten Zehn-Dollar-Schein. Möchte wissen, wo das Geld immer bleibt, dachte er und schob den Schein über die Theke.
»Sie schleppen ja sogar noch Ihre Kanone mit sich rum?« fragte ihn jemand von der Seite.
Rock drehte sich nach rechts. Lewy Bexter stand grinsend neben ihm. Bexter war mittelgroß, hatte aber einen beträchtlichen Leibesumfang. Früher hatte er sich als Buchmacher für die großen Rennen betätigt und dank der Wettleidenschaft vieler Leute manchen blanken Dollar verdient. Seit ein paar Monaten aber nahm Bexter keine Wetten mehr an. Er behauptete, daß er genug gespart hätte, um jetzt einen geruhsamen Lebensabend
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