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01 Columbus war ein Engländer: Geschichte einer Jugend

01 Columbus war ein Engländer: Geschichte einer Jugend

Titel: 01 Columbus war ein Engländer: Geschichte einer Jugend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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Viele Male versuchte ich es, ihn in irgendeiner Szene im erotischen Breitwandkino in meinem Kopf einzubauen, aber irgend etwas in mir verbannte ihn jedesmal vom Set, oder aber sein bloßes Auftauchen auf der Leinwand in meinem kruden Kopfporno hatte die Wirkung eines Kübels kalten Wassers. Wir hatten auch Sex miteinander, aber nie war er bloß eine billige Wichsvorlage.
    Jo Wood besaß genügend Instinkt und Verstand, um zu wissen, daß irgend etwas nicht stimmte und daß es etwas Intimes und Außergewöhnliches war, so daß er mich nicht weiter wegen meines seltsamen Benehmens löcherte, währendwir weiterzogen, mittlerweile vier Reihen Jungen zwischen mir und der Offenbarung.
    Wir schwenkten nach links, über die Block-Schokolade und dann die Stufen hoch – in der Art, wie er sein rechtes Bein hob, entdeckte ich eine nie zuvor gesehene Eleganz, und ich bemerkte auch, wie Maudsley ein weiteres Mal seinen Nachbarn anstieß und dabei ein verstecktes »Boah!« nach Kenneth-Connor-Manier hervorstieß. Wir passierten das alte viktorianische Schulgebäude zur Rechten und die Bibliothek zur Linken und marschierten im Gänsemarsch über das glänzende Pflaster des Fliegenden Teppichs, der sich wie ein brauner Fluß durch ein Asphaltfeld in verblichenem Pink schlängelte und dann auf die Kolonnade mündete. Das Dröhnen der Kapellenglocke wurde immer lauter, bis es mir fast den Kopf zu zersprengen drohte.
    Ich mußte noch herausfinden, wo er seine Schultasche abstellte. Mindestens das noch.
    Der Haupteingang zur Kapelle war eine Art Miniaturausführung des Lincoln-Memorials in Washington, D. C.: Edward Thring saß streng auf seinem unumstößlichen Thron, den monströs väterlichen Backenbart streng in weißen Marmor gehauen, und kein Junge konnte an ihm vorbeilaufen, ohne daß Reverend Edward ihm tief in die Seele schaute und vor dem erschauerte, was er da sah. Durch den Eingang hindurch gingen wir auf die Kolonnade zu. Der Säulengang war zu zwei Seiten hin offen, während er an den beiden geschlossenen Seiten von grünen Filzwänden flankiert wurde, an denen mit Metallheftzwecken festgepinnte Notizen, Plakate und Ankündigungen flatterten. Zuerst kam das Anschlagsbrett des Direktors mit seinen blütenweißen, epigrammatischen Memoranda, dahinter die anderen, entweder auf einer Gestetner Roneo vervielfältigt oder per Hand geschrieben, auf denen Corpstage angekündigt wurden (»alle nicht Genannten versammeln sich um 12.25 Uhr«), besondere Matches zwischen »Zweite Auswahl gegen Dritte Turniermannschaft«(Gott bewahre ... ), Aufforderungen, dem neugegründeten Höhlenforscherclub beizuteten, »Anmeldung bei Andrews, J. G. (M)« und anderer gequirlter Scheiß, der Fry, S. J. (F) nicht die Bohne interessierte. Für mich hatte der Säulengang an diesem Tag nur den einen Zweck, meine Tasche vor Betreten der Kapelle dort abzustellen und mitzubekommen, wo er seine deponierte.
    An Tagen, an denen man zu spät zur Kirche kam, bot sich einem das beeindruckende Bild eines menschenleeren Säulengangs, an dessen Postamenten und entlang der Innenwand sechshundert Schultaschen und noch einmal einhundert Turnbeutel verteilt waren.
    Man sah sofort, daß er neu war. Allein die Art, wie er die anderen beobachtete, wie sie ihre Taschen ablegten, glich der eines schüchternen Mädchens in der Disco, die ihren Freundinnen beim Tanzen zuschaut. Schließlich hatte er einen Platz für seine Tasche, brandneu und aus dunkelbraunem Leder, gefunden. Im gleichen Moment haßte ich meine, die schwarz war. Ich hatte Schwarz für cool gehalten, aber jetzt war klar, daß ich unbedingt eine braune brauchte. Ich würde sie Weihnachten auf den Wunschzettel setzen.
    »Aber Liebling, deine Tasche ist doch noch ganz neu! Und hat dazu noch ein halbes Vermögen gekostet!«
    Ich würde mich darum kümmern, wenn es soweit war. Im Augenblick mußte ich wohl oder übel mein häßliches schwarzes Teil neben seinem schicken braunen abstellen. Einige Jungen hatten ihre Initialen entweder pompös ins Leder einstanzen lassen oder mit ramschigen Goldbuchstaben aufgeklebt. Er stand bei seiner Tasche, als ich mich näherte, blickte aber in Richtung der von der anderen Seite herbeiströmenden Jungen. Mein Gott, wollte er sich denn gar nicht mehr umdrehen? Ich ließ meine Tasche direkt neben seine plumpsen und stieß ein lautes, aber unbekümmertes Seufzen aus, das zu sagen schien: »Nun denn. Dann wollen wir mal wieder. Neues Spiel, neues Glück.«
    Er drehte sich um.
    Er

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