01 Columbus war ein Engländer: Geschichte einer Jugend
latschte mehr als zweihundert Meilen zwischen der Küche und dem Restaurant hin und her, vom Eindecken der Tische zum Frühstück bis zum Mitternachtsmahl. Das Geld verpulverte ich für Cannabis, Zigaretten und (wie ich zu meiner Schande gestehen muß) nach wie vor für Süßigkeiten.
In meinem zweiten Jahr in Norcat wurde ich zum Mitglied der Studentenvertretung gewählt. Erst vor wenigen Tagen stieß ich zufällig auf einen Zeitungsartikel, den ich damals stolz aus dem ›Lynn News & Advertiser‹ ausgeschnitten hatte.
Kein Verbot für den »Exorzisten« in
West Norfolk
Die Mitglieder des Komitees für eine reine Umwelt des West Norfolk District Council trafen am Mittwoch erstmals in ihrer Funktion als Filmprüfer zusammen.
Man sah sich den umstrittenen Film Der Exorzist an, der anschließend vom Komitee freigegeben wurde.
Der zweistündige Film wurde in einer Privatvorführung im Majestic Cinema in King’s Lynn gezeigt, mit der sich die Mitglieder des Komitees ein Bild davon machen wollten, ob man sich der Freigabe durch das British Board of Film Censors anschließen könne.
BESCHWERDEN
Auf seiner anschließenden Sitzung kam das Komitee zu dem Entschluß, der ab achtzehn freigegebene Film könne auch in Norfolk gezeigt werden.
Seit April besitzt das Komitee die Befugnis, Kinobetreibern die Aufführung bestimmter Filme zu untersagen. Der Exorzist war der erste begutachtete Film, nachdem drei Beschwerden über seine Aufführung eingegangen waren.
Unter den Zuschauern waren auch drei beratende Mitglieder des Komitees – Kanonikus Denis Rutt, Vikar von St. Margaret’s Church, Dr. M. D. O’Brien, fachärztlicher Psychologe am Krankenhaus von Lynn, und Stephen Fry als Vertreter der Studentenschaft. Kanonikus Rutt sagte, er sähe keinen Grund, den Film aufgrund ethischer Bedenken zu verbieten.
Dr. O’Brien sagte: »Empfindsame Menschen können auf diesen Film verstört reagieren – aber das darf nicht die Richtschnurunserer Entscheidung sein. Gewiß werden einige hysterische Mädchen in Ohnmacht fallen und hinausgetragen werden, aber sie werden nicht gleich einen Herzinfarkt erleiden. Vermutlich gehen sie gerade wegen dieses Nervenkitzels ins Kino, so daß ich dem keine große Bedeutung beimessen würde.«
Mr. Fry erklärte: »Ich halte den Film für ganz und gar nicht verstörend. Er hat mich für das Gute sensibilisiert, so daß ich allein den Gedanken einer Indizierung für unangebracht halte.«
Der Vorsitzende des Komitees, Mr. H. K. Rose, der sich der Abstimmung enthielt, widersprach diesen Einschätzungen. »Ich sehe in dem Film eine ausgesprochene Beleidigung des guten Geschmacks vieler Leute, ich selbst war zutiefst schockiert, aber offensichtlich befinde ich mich in der Minderheit.«
KRITERIEN
»Wenn wir einem solchen Film zustimmen, sollten wir unsere Arbeit ganz einstellen. So werden die Leute nur dazu angestachelt, ins Kino zu gehen und nachzusehen, ob wir unsere Entscheidung zu Recht getroffen haben oder nicht.«
Kanonikus Rutt fügte hinzu: »Diese Art Vorgehen verhilft dem Film nur zu ungewollter Publizität.«
Das Komitee hatte über die Frage zu befinden, ob der Film als anstößig zu betrachten ist, gegen Geschmack und Anstand verstößt und zu Straftaten und öffentlicher Unruhe führen kann.
Durch die Freigabe ab achtzehn darf der Film nur vor erwachsenem Publikum gezeigt werden.
Immer noch ganz der selbstgerechte kleine Heuchler. Ich mußte gerade siebzehn geworden sein, als man mich als beratendes Mitglied in das Komitee entsandte. Warum sie ausgerechnet einen siebzehnjährigen Jugendlichen für geeignet hielten, über einen Film zu befinden, der offiziell erst ab achtzehn freigegeben war, übersteigt meinen Verstand. Mein Amt innerhalb der Studentenvertretung war das des Filmbeschaffers. Damals gab es noch keine Videokassetten, und meine Aufgabe bestand darin, die Filmspulen bei Rank zubestellen und sie in der Schulaula vorzuführen. Vermutlich hatte man mich deshalb dazu auserkoren, die Studenten bei der großen Exorzisten-Debatte zu vertreten. An die Vorführung kann ich mich noch gut erinnern. Ich hatte den Film bereits zweimal in London gesehen, so daß er mich kaum noch vom Hocker reißen konnte. Der Gesichtsausdruck des Vorsitzenden H. K. Rose, als das von Linda Blair gespielte besessene Mädchen im Ton einer Cappuccino-Dampfdüse den Priester anzischt: »Deine Mutter lutscht Schwänze in der Hölle, Karras«, war ein göttliches Spektakel. Seine Hände zitterten immer
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