01 Columbus war ein Engländer: Geschichte einer Jugend
der schüchternen Nachfrage: »Entschuldigung, Sie kennen mich bestimmt nicht mehr ...«
Table Mucker hatte sich ein Paar mordsmäßiger Brüste und eine stattliche Brut Töchter zugelegt, deren älteste ganz danach aussah, bald selbst die Produktion aufzunehmen. Mary Hench grinste mich unter einem zarten Oberlippenflaum und in Begleitung einer heißblütigen Freundin an (bestimmt hielt sie Jungen immer noch für saublöd), während John Kett ganz der alte geblieben war, dessen stummervorwurfsvoller Blick mich seit fünfundzwanzig Jahren begleitet hatte.
»Nun, junger Mann, ich vermute, dies kommt Ihnen heute alles viel kleiner vor.«
Ich gab ihm recht, und er kam umgehend auf Maulwürfe zu sprechen.
Maulwürfe?
Schon bei meinem Eintreffen und während der ersten flüchtigen Inspektion der Kuchen- und Getränkestände hatten mir alle möglichen Leute augenzwinkernd und mit ahnungsvoller Vorfreude von Maulwürfen erzählt.
Meine Eltern hatten damals die Brüder Alec und Ivan Tubby als Gärtner angestellt, die einen erbitterten Kampf geführt hatten, um den Tennisplatz – wie auch den ganzen Stolz unseres Gartens, den Badminton-Rasen – von Maulwürfen freizuhalten. Sollte es damit etwas zu tun haben?
Die Maulwurfsjagd ist eine hohe Kunst, bei der die meisten Jäger (die Männer von Rentokil mit ihren fluoreszierenden Jacken selbstredend ausgenommen) eine halbe Ewigkeit bloß stumm dastehen und die frischen Maulwurfshügel auf dem Rasen anstarren. Nach etwa einer halben Stunde quälenden Nichtstuns geraten sie endlich in Bewegung, tippeln vorsichtig zu unscheinbaren Stellen im Gras, um dort ihre Fallen aufzustellen. Im Laufe der nächsten Tage können sie drei oder vier tote Maulwürfe einsammeln. Ich kann mir das nur so erklären, daß die Maulwurfsjäger, während sie scheinbar untätig dastehen, in Wirklichkeit auf feine Erschütterungen im Erdreich achten oder genauestens dunklere oder hellere Rasenflecken in Augenschein nehmen, die ihnen Hinweise darauf geben, in welche Richtung sich die Maulwürfe vorarbeiten. Die Hügel selbst sind natürlich wenig aufschlußreich: Haben die samtschwarzen Herrschaften sie erst einmal aufgeworfen, sind sie auch schon weiter. Der Trick besteht darin herauszufinden, welche weitere Route sie einschlagen.
Während der ersten Schulwochen in Cawston im Jahr1965 hatte es mich zunehmend deprimiert, nie einen Stern beim Naturkundetisch zu gewinnen.
Einmal in der Woche mußten alle Schüler in Miss Meddlars Klasse irgendwelche biologischen Fundsachen mitbringen, die im Klassenzimmer ausgestellt wurden. Das originellste Austellungsstück wurde mit einem Stern belohnt. Einmal brachte Mary Hench das Ei einer Flußseeschwalbe mit, das sie an der Küste bei Brancaster in einem Nest gefunden hatte. Nachdem Miss Meddlar leichtgläubig Mary Henchs Erklärung auf den Leim gegangen war, das Nest sei verlassen und das Ei kalt gewesen, als sie es genommen hatte (ich glaubte Mary Hench keine Sekunde und bin bis auf den heutigen Tag überzeugt, die gerissene Ziege hat damals einfach in ihre fetten Hände geklatscht und das brütende Weibchen verjagt, so krank und teuflisch war ihr Ehrgeiz, die meisten Sterne einzuheimsen und dafür den Erstkläßlerpokal sowie den damit verbundenen Buchgutschein über fünf Shilling davonzutragen), wurde ihr der Stern zugesprochen. Ich selbst hatte in dieser Woche große Hoffnungen auf meinen Dachsschädel gesetzt, fachmännisch abgekocht, ausdauernd mit Colgate für ein strahlendweißes Lächeln und garantiert frischen Atem geschrubbt und attraktiv präsentiert in einer mit roten Zellophanschnipseln ausstaffierten Queen’s-Velvet-Briefumschlagskiste. Einige Jahre später ließ ich die gleiche zahnkosmetische Behandlung einem weniger leicht zu identifizierenden Knochen angedeihen (ich hatte nicht den geringsten Zweifel, daß er von einem Menschen stammte) und gewann damit meinen dritten Blue Peter Badge – und ein dritter Blue Peter Badge wird, wie alle Welt weiß, automatisch in einen Silver Blue Peter Badge umgewandelt. Doch diese glücklichen Errungenschaften lagen noch in weiter Ferne. Im Augenblick war ich nach wie vor ohne Stern. Aber mein Blut war in Wallung. Ich würde mir einen Stern holen und Mary Hench vor Neid aufheulen lassen, selbst wenn ich dafür über Leichen gehen müßte.
Ruhm schneit nie zur Haustür herein. Er schleicht unverhofft durch den Hintereingang oder schlüpft nachts unbemerkt durch dein Schlafzimmerfenster.
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