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01 Columbus war ein Engländer: Geschichte einer Jugend

01 Columbus war ein Engländer: Geschichte einer Jugend

Titel: 01 Columbus war ein Engländer: Geschichte einer Jugend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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wurde. Der Kerl war krebsrot vor Wut, fuchtelte mit der Faust in der Luft und schimpfte mich einen hinterhältigen, feigen Mörder. Ich ging davon aus, er hätte etwas gegen meine politische Einstellung, meine Fernsehauftritte, meine sexuellen Präferenzen, meinen Stil, meine Stimme, mein Gesicht – also gegen mich . Was nicht weiter schlimm war. Er hätte mich eine feiste, häßliche, wenig komische linke Schwuchtel schimpfen können, und ich hätte dafür Verständnis gezeigt. Aber Mörder ? Vielleicht weil ich an dem Tag zufällig Lederschuhe trug ... man weiß heutzutage ja nie bei den vielen auf eine bestimmte Sache fixierten Fanatikern. Jedenfalls verschwand ich eilig um die nächste Ecke. Solchen Leuten geht man am besten aus dem Weg. Man liest so einiges, wissen Sie.
    Sie können sich meine Bestürzung vorstellen, als ich bemerkte, daß der Irre mit Riesenschritten hinter mir hergewetzt kam.
    »Mr. Fry! Mr. Fry!«
    Ich fuhr mit einem bemüht entwaffnenden Lächeln herum, während ich insgeheim nach Zeugen, Polizisten oder einem Fluchtweg spähte.
    Der Irre hob beschwichtigend die Hand.
    »Ich hab zuerst nicht gemerkt, daß Sie mit meinem Gruß nichts anfangen konnten«, sagte er, hochrot vor Anstrengung und Verlegenheit.
    »Also, ich muß gestehen ...«
    »Speckled Jim!«
    »Wie bitte?«
    »Na, Speckled Jim!«
    Er sagte das in einem Ton, als wäre damit alles geklärt.
    Und dann fiel bei mir endlich der Groschen.
    Der Mann spielte auf die Folge einer Fernsehserie an, in der ich in der Rolle des General Melchett den Helden, Blackadder, vor ein Kriegsgericht stelle, weil er Melchetts Lieblingsbrieftaube mit Namen Speckled Jim getötet, gebraten und verspeist hat.
    An einer Stelle des Kriegstribunals, dem Melchett unfairerweise präsidiert, bezeichnet er Captain Blackadder in einer wüsten Schimpfkanonade als »den Taubenmörder von Flandern«. Und genau den Ausdruck hatte der Mann mir über die Straße hinweg zugerufen. Nur hatte ich was von einem hinterhältigen feigen Mörder verstanden.
    Das Seltsame am Fernsehen ist, daß man die Sachen einmal spielt und dann wieder vergißt, während eingefleischte Fans sich die Sendungen wieder und wieder anschauen und die Dialoge zum Schluß besser draufhaben als man selbst zum Zeitpunkt des Drehs.
    Eine weitere Falle für den unachtsamen Komiker liegt im Gebrauch realer Namen in seinen Sketchen. Wie viele Autorengebrauche ich häufig Ortsnamen als Nachnamen meiner Charaktere und umgekehrt die Nachnamen meiner Bekannten als fiktive Ortsnamen.
    Folglich versuchte ich mir die Maulwurf-Anspielungen so zu erklären, daß es entweder eine Fernsehsendung mit mir und einem Maulwurf gegeben hatte oder aber daß ich einem solchen Tier irgendwo den Namen »Cawston« oder gar »Kett« gegeben hatte. Ich zermarterte mir das Hirn, welchen Artikel ich je geschrieben oder in welchem Werbespot, Sketch, Radiobeitrag, Film, Theaterstück oder welcher Sitcom ich je mitgespielt hatte, in denen auch nur andeutungsweise ein Maulwurf vorkam: ein Maulwurf als putziges, schaufelndes Säugetier, ein Maulwurf als unteriridischer Geheimagent, ein Maulwurf als Drillmaschine, ein Maulwurf als tollpatschiger Blindgänger, ich ließ keine Möglichkeit außer acht. Hugh Laurie und ich hatten tatsächlich einmal einen Sketch über Leute geschrieben, die Porzellanteller mit den Motiven von Waldwühlmäusen sammelten, gemalt von international renommierten Künstlern und in den Wochenendbeilagen der Boulevardpresse angepriesen. Aber zwischen einer Waldwühlmaus und einem toten Maulwurf besteht ein himmelweiter Unterschied, außerdem war der Sketch bislang weder aufgeführt oder aufgezeichnet, geschweige denn je ausgestrahlt worden.
    Erst als Kett mich fragte, ob ich noch immer so für Maulwürfe schwärmte oder in jüngster Zeit irgendwelche toten Exemplare aufgetan hätte, dämmerte es bei mir, und ich kapierte endlich, worauf die Leute die ganze Zeit hinauswollten. Dabei hatten sie mir keineswegs deshalb mit diesem verdammten Maulwurf in den Ohren gelegen, weil es seit den Tagen der Pest kein aufregenderes Tier in Cawston gegeben hatte oder weil er der Held einer Anekdote war, die im Leben der Dorfbewohner eine besondere Rolle spielte. Heute ist mir klar, was ich damals unmöglich wissen konnte – daß alle nur deshalb von Maulwürfen redeten, weil sie eine kleine Überraschung für mich hatten und es für alle Beteiligten,mich eingeschlossen, reichlich peinlich gewesen wäre, wenn ich die ganze

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