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01 Columbus war ein Engländer: Geschichte einer Jugend

01 Columbus war ein Engländer: Geschichte einer Jugend

Titel: 01 Columbus war ein Engländer: Geschichte einer Jugend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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besser hätte aufpassen sollen. Wie sich später herausstellte, stammte Rogers Armbruch in Wirklichkeit daher, daß Abiel ihn beim Stehlen in der Küche erwischt und mehrere Treppenstufen hochgeschleudert hatte. Doch solche Dinge wurden damals vertuscht. Der arme Abiel hatte ihm nicht weh tun wollen, und eine Rugby-Verletzung machte sich weitaus besser.
    Ich kann heute nicht mehr genau sagen, was Ursache war und was Wirkung, jedenfalls begann ich von meinem dritten Jahr in Stouts Hill an, nachdem sich mein Asthma eingestellt und ich mir den Arm gebrochen hatte, jedwede körperliche Betätigung zu fürchten. Ich wurde von einer geradezuängstlichen Sorge um meinen Körper befallen. Zu den sexuellen Verbindungen, die da mit hineinspielten, kommen wir später.
    In einer Prep School auf dem Land, die das Land liebt, von ihm inspiriert wird und sich ihm ganz verschrieben hat, wird der Junge, der das Land und alles, was dazugehört, fürchtet, nahezu automatisch zu einer Art Außenseiter. Und wenn sein Elternhaus noch tiefer auf dem platten Land liegt, hat er ein Problem. Der Schrecken des verwesenden Maulwurfs und der an dem Kadaver sich weidenden Insekten steckte mir noch tief in den Knochen. Schon der bloße Gedanke an Silberfische und Läuse, Maden und Schmeißfliegen, Boviste und aufplatzende Pilze trieb mir den Angstschweiß auf die Stirn. Die Heimtücke und der Verwesungsgestank, der über den Wäldern, Schonungen und dem Ufergehölz von Stouts Hill lag, machten jede Freude, die ich an dem flinken Gewiesel von Eichhörnchen und Dachsen, an der stolzen Anmut von Erlen, Lärchen, Ulmen und Eichen und an der fragilen Schönheit von Robertskraut, Feuernelken, Glockenblumen und Hirtentaschen empfand, gründlich zunichte.
    Schlimmer noch, die Furchtlosigkeit der anderen Jungen machte mir wiederum noch mehr angst. Die Tatsache, daß sie keine Augen dafür hatten, was in der Welt schieflief, ließ sie als Draufgänger und mich als Schwächling erscheinen.
    Ich glaube, das alles spielte sich damals viel zu sehr in meinem Unterbewußtsein ab, als daß ich mir groß Gedanken darüber gemacht hätte. Immerhin gab es genug andere Jungen, die man heute als Weicheier bezeichnen würde. Ein paar waren sogar viel größere Luschen als ich. Einige trugen groteske Brillen mit zentimeterdicken Gläsern, während andere spastisch in der Gegend herumstaksten und eine Auge-Hand-Koordination besaßen, gegenüber der ich mich als Athlet fühlen durfte. Ein Junge hatte soviel Schiß vor Pferden, daß ihm der Schweiß ausbrach, sobald sich ihm ein Zwergpony auch nur auf zwanzig Meter näherte.
    Dennoch litt ich nachhaltig unter zwei Handicaps, von denen ich nicht sagen kann, sie je überwunden zu haben.
    Beginnen wir mit den Schwimmkünsten. Zur Schule gehörte ein formidabler See, in dem wir unter Aufsicht schwimmen durften. Daneben gab es auch einen Swimmingpool, ein elegantes, weißes Oval, das von Gropius persönlich hätte entworfen sein können und das einen raffinierten Kieselfilter besaß, der in Form eines vor sich hin plätschernden Brunnens neben dem Becken stand. An beiden Enden war ein Fußbecken mit einer purpurroten Flüssigkeit, in das man vor dem Schwimmen seine Füße eintauchen mußte – was irgendwie mit Warzen zusammenhing.
    Wer unter den Augen des Lehrers zwei volle Bahnen schaffte, war als Schwimmer zugelassen und durfte eine blaue Badehose tragen, sich im tiefen Wasser aufhalten und das Sprungbrett benutzen. Die Nichtschwimmer trugen rote Badehosen und durften nur im flachen Teil herumpaddeln, wobei sie sich an bescheuerten Styroporbrettern, die aussahen wie Grabsteine, festklammern mußten oder, schlimmer noch, aufblasbare Schwimmflügel um ihre schmächtigen Ärmchen schnallen mußten.
    Ich gehörte bis zuletzt zu den Nichtschwimmern.
    Und ich habe bis heute einen ausgeprägten Haß auf rote Badehosen.
    Nachts, wenn alle schliefen, ließ ich in meinem Kopf Filme ablaufen, in denen ich wie Johnny Weißmüller, Esther Williams oder Captain Webb meine Bahnen zog. Mit rollenden Bewegungen glitt und tauchte ich durchs Wasser, das Gesicht vornüber in die Fluten geneigt, während ich mich mit federnden, rhythmischen Beinschlägen nach vorn katapultierte. Ein ums andere Mal schnellte ich durch den Pool, den Kopf auf jeder Bahn nur einmal kurz aus dem Wasser hebend, während die anderen Jungen sich am Beckenrand zusammendrängten, die Münder vor Erstaunen und Bewunderung weit geöffnet, und mich begeistert anfeuerten

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