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01 Columbus war ein Engländer: Geschichte einer Jugend

01 Columbus war ein Engländer: Geschichte einer Jugend

Titel: 01 Columbus war ein Engländer: Geschichte einer Jugend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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...
    Ich konnte es, in dem Moment wußte ich, daß ich es konnte. Mir war klar, daß der ganze Trick nur in diesem Wissen bestand. Ich konnte nur aus dem einen Grund nicht schwimmen, weil man mich als Nichtschwimmer abgestempelt hatte. Doch nachts in meinem hartgefederten Vono-Bett, während alles rings um mich schlief, wußte ich, daß ich ein Otter war, ein Seelöwe, ein springender Delphin, ein Kind Poseidons, ein Sohn des Meeres, der Freund von Thetis und Triton, eins mit dem feuchten Element.
    Sie brauchten mich nur eine blaue Badehose tragen zu lassen, und ich würde es ihnen schon zeigen.
    Das lärmende Durcheinander von Anweisungen, Zurufen und Befehlen bei Tage aber brachte alles immer gründlich durcheinander und warf mich völlig aus der Bahn.
    »Umgezogen, Fry?«
    »Also los, rein mit dir.« – »Nun mach schon, Junge!«
    »Meine Güte, das nennst du kalt ...«
    »Die Beine! Beine, Beine, Beine! Setz gefälligst die Beine in Bewegung!«
    »Und den Kopf runter . Das Wasser wird dich schon nicht beißen ...«
    »Was für ein Trampel ...«
    Der Lärm der anderen Jungen, die hinten im Becken lachten und mit Arschbomben und Bauchfletschern ins Wasser klatschten, wurde zu einem fernen spöttelnden Echo, während mir das Blut und die Angst in den Kopf schossen.
    »Aber gestern nacht konnte ich es!« wollte ich rufen. »Sie hätten mich gestern nacht sehen sollen. Wie ein Lachs ... wie ein springender Lachs!«
    Statt dessen schob ich blau und bibbernd den Styroporgrabstein vor mir her, die Augen fest zusammengekniffen, den Kopf weit in den Nacken gestreckt, um mit wild strampelnden Beinen durchs Wasser zu pflügen, prustend und schnaubend vor lauter Anstrengung und Panik. Zuletzt tauchte ich keuchend und spuckend wie ein Neugeborenesauf, Rotzschlieren unter der Nase, mit vom Chlor brennender Kehle und Augen, aber in der Gewißheit, diesmal garantiert wenigstens eine halbe Beckenlänge geschafft zu haben.
    »Gratuliere, Fry. Eineinhalb Meter.«
    Zitternd und schluckend vor Scham und Erschöpfung rannte ich über die Wiese davon und wickelte mich in ein Handtuch ein.
    Eine quälende Sehnsucht überkam mich, wenn ich Laing wie einen silbernen Aal lautlos unter Wasser durchs Becken gleiten sah. Ohne jedes Geräusch durchbrach er die Wasserfläche, um dann, laut auflachend wie ein Lord, auf dem Rücken, im Krauloder Butterflystil zum anderen Ende zurückzuschwimmen, sich wieder und wieder drehend, während das Wasser ihn wie ein silberner Umhang einzuhüllen schien, der wie die Fruchtblase eines riesigen Insekts glitzernd pulsierte.
    Mein Handtuch um die Hüften gewunden, veranstaltete ich mit Adams ganzer Scham jenes groteske Ballett, bei dem man die Badehose mit der Unterhose vertauscht, so abgrundtief und rettungslos in schwärzestem Elend versunken, daß nichts, weder Geld oder eine Umarmung noch Süßigkeiten, Verständnis, Freundschaft oder Liebe, mir den leisesten Funken von Zuversicht oder Hoffnung hätte geben können. Der alles verzehrende Knoten aus Bewunderung, Ärger, Scham und Wut, der sich in meiner Magengrube zusammenzog, gehört für mich genauso zu den unvergeßlichen Empfindungen meiner Kindheit wie der Geschmack von Zitronensorbet oder Tomaten auf geröstetem Brot, die in der Erinnerung oder durch äußere Anstöße urplötzlich wieder in einem auftauchen, um einen zu quälen oder, wie in diesem Fall, zum Schmunzeln zu bringen.
    Für mich bedeutete Schwimmen die äußerste einem Menschen mögliche Annäherung ans Fliegen. Ein Gefühl von Freiheit, Leichtigkeit, Eleganz und grenzenloser Beweglichkeit. Jedes Lebewesen außer Fry konnte schwimmen. Diewinzigste Kaulquappe, die widerspenstigste Katze, die primitivste Amöbe, ja selbst der simpelste Wasserfloh.
    Nur ich würde es niemals lernen, nie und nimmer. Niemals wäre ich dabei, wenn die anderen spritzend, lachend, tauchend, raufend und brüllend im Wasser tobten. Keine Chance. Außer in meinem Kopf.
    Der Jugend wird oft Gefühlskälte nachgesagt. »Kinder können gnadenlos grausam sein«, heißt es. Grausam jedoch kann nur der sein, der am Schicksal anderer in irgendeiner Form teilnimmt. Kinder hingegen sind gleichermaßen sorglos wie unbekümmert im Umgang mit anderen. Es wäre geradezu grotesk, würde ein Neunjähriger auch nur einen flüchtigen Gedanken an die Seelenqualen eines gleichaltrigen Nichtschwimmers verschwenden.
    An der Prep School hatte es Mitschüler gegeben, die durch ihr Unverständnis einfachster grammatikalischer Grundlagen

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