01 Columbus war ein Engländer: Geschichte einer Jugend
Boing machten, als sich der verrückteste Erfinder erträumen konnte.
Der Service war damals ebenfalls einzigartig. Mrs. Riseborough kochte und paßte auf Jo auf. Ihre Schwägerinnen und einige Freunde aus dem Nachbarort Cawston schrubbten und putzten und zündeten im Winter die Kamine an. Die Tubby-Brüder pflegten den Garten, bis sie eines Tages fortgingen und Mr. Godfrey ihren Platz einnahm, der dann viele Jahre unser Gärtner war. Mein Bruder und ich hatten unsere besondere Freude an ihm, weil er ständig Selbstgespräche führte und sich etwa lauthals darüber beklagte, daß der Boden im Winter »ein verdammter Bockmist« sei. In Anbetracht der Tatsache, daß er ein alter Mann war und jede Menge Selbstgedrehte rauchte, war der gefrorene Boden wahrscheinlich tatsächlich ein verdammter Bockmist, so daß mich heute die Erinnerung schmerzt, wie wir uns über ihn lustig machten. Außerdem war der Garten ziemlich riesig, eben original viktorianisch und so angelegt, daß er einen großen Haushalt das ganze Jahr über mit Obst und Gemüse versorgte. In den Nebengebäuden konnten Äpfel, Birnen und Kartoffeln über den Winter gelagert werden, und Mrs. Riseboroughverarbeitete die überreiche Ernte von Pflaumen, Kirschen, Erdbeeren, Himbeeren, Damaszenerpflaumen, Stachelbeeren, Brombeeren und roten und schwarzen Johannisbeeren zu Marmelade, Pickles und Gelees. Vorausgesetzt, meine Mutter kam ihr nicht zuvor. Sie ißt saures Obst für ihr Leben gern und hat einen Stachelbeerstrauch flinker abgefingert als ein Priester einen Chorknaben.
Ich bin gewiß noch kein Greis, aber all das kommt mir wie ein anderes Leben vor: ein Leben, das sich im Rhythmus der Jahreszeiten vollzog und seit Jahrzehnten unverändert geblieben war. Alles wurde frei Haus geliefert: Mittwochs kam der Fischhändler mit seinem Pferdekarren (als Nicht-Katholiken brauchten wir Fisch nicht für den Freitag zu reservieren). Auch Brot wurde an die Haustür geliefert, wenn ich mich recht erinnere, dreimal die Woche. Mittwochmorgens rief meine Mutter bei Riches in Reepham an und bestellte die Lebensmittel, die Mr. Neale mit dem Lieferwagen vorbeibrachte. Wie in Norfolk bei kleinen Jungen so üblich, rief er mir stets ein »Guten Tag, junger Mann!« zu und kniff mir in die Wange. Die Milch wurde von der heimischen Molkerei in Wachskartons geliefert, die nachher als Kaminanzünder wunderbar zischten und knisterten. Zudem hatten wir die goldglänzendste, saftigste Butter, rundum verziert mit den Abdrücken der Rührhölzer. Fleisch wurde von Tuddenham’s aus Cawston geliefert, wobei es im Dorf als ausgemacht galt, daß der Metzger aus Cawston besser war als der aus Reepham. Etwa einmal im Monat kam der Kohlenhändler vorbei, und einmal die Woche hielt der Büchereibus direkt vor unserer Haustür.
Obst und Gemüse (Orangen, Zitronen und Bananen ausgenommen) kamen aus unserem Garten.
»Keinen Spargel mehr nach dem Ascot-Rennen«, lautete eine Grundregel meiner Mutter.
Da Spargel Ende Juni zu schießen beginnt und Blütenstände treibt, hat der Satz einiges für sich. Dennoch fielmeine Mutter auch anschließend noch über die Beete her und pflückte büschelweise Spargelgrün für ihre Blumenbouquets. Ich erinnere mich auch noch, daß die Spargelbeete im Herbst mit riesigen Mengen Kalisalz gedüngt wurden. Mr. Godfrey (manchmal mit meiner Unterstützung) kippte Sack für Sack über die Hügelreihen, bis sie glitzerten und funkelten, als hätten sie einen frühen Frost abbekommen.
Der Gemüsegarten war von seinen viktorianischen Gründungsvätern mit zahllosen schmalen Kieswegen unterteilt worden, die von Buchsbaumhecken gesäumt waren. »Schöner Bockmist, das sauberzuhalten«, wie der arme Mr. Godfrey mir, meinem Bruder oder zufällig vorbeihüpfenden Kaninchen oder Dohlen versicherte.
Mr. Godfrey wohnte zur Untermiete bei einer gewissen Mrs. Blake und bat gelegentlich darum, aus den üppigen Gemüsebeständen des Gartens etwas fürs Abendessen mitnehmen zu dürfen. Eines Tages überraschte er ganz Cawston, indem er seine Vermieterin heiratete, auch wenn er sie weiterhin Mrs. Blake nannte. Die Menschen in Norfolk legen alte Gewohnheiten nur ungern ab. Ich erinnere mich an ein altes Paar, das in einem kleinen Cottage mit Außentoilette lebte. Vor mittlerweile vielen Jahren zogen sie in ein hübsches neues Gemeindewohnhaus mit allem Komfort. Doch noch heute verblüffen sie ihre Gäste damit, wenn sie auf dem Weg zur Toilette von der Treppe her rufen: »Ich geh
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