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01 Columbus war ein Engländer: Geschichte einer Jugend

01 Columbus war ein Engländer: Geschichte einer Jugend

Titel: 01 Columbus war ein Engländer: Geschichte einer Jugend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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einem Rackett geschlagen. Es wird in zwei Variationen gespielt, Eton und Rugby. Wir spielten Eton-Fives, das, allen Snobismus beiseite lassend, einfach das bessere Spiel ist, weil auf einer Seite ein Vorsprung ins Spielfeld ragt, vermutlich ein Überbleibsel der Strebepfeiler der großen, im Perpendikularstil erbauten gotischen Kapelle in Eton College, gegen die einstmals pietätlose Schüler ihre Bälle warfen. Fives war immer noch sehr beliebt, aber Etons Erzrivale Harrow hatte sein eigenes traditionelles Spiel, das in Windeseile populär wurde, und zwar nicht nur in Schulen, sondern auch in der Welt schwitzender Geschäftsleute und der überall wie Pilze aus dem Boden schießenden Fitness-Studios. Als ich nach Uppingham kam, hatte Squash Fives bereits den Rang abgelaufen, und die Fives-Plätze wurden nur noch zum Abstellen der Fahrräder oder als Treffpunktebenutzt, hinter denen man rauchen, masturbieren und allein oder mit Freunden Cidre süffeln konnte.
    Mein Hausvorsteher war Geoffrey Frowde, ein alter Freund meiner Eltern. Er hatte am Merton College in Oxford studiert, aber seine Frau war mit meiner Mutter in Westfield gewesen. Die Frowdes hatten mit meinen Eltern in der verregneten Nacht vor der Krönung von Königin Elisabeth im Freien auf der Mall campiert und gemeinsam Königin Salote von den Tongainseln zugewinkt, als sie mit dem legendären Lunch an ihrer Seite vorbeigezogen war. Erlebnisse dieser Art verbinden einen zweifellos fürs Leben, und gerade weil Geoffrey Frowde in Uppingham war, stand bereits in frühen Jahren fest, daß Roger und ich einmal auf diese Schule gehen würden. Meine späteren Skandalgeschichten an der Schule wurden dadurch natürlich um so peinlicher. Der arme Mann war wirklich nicht zu beneiden, sich ständig mit den haarsträubenden Eskapaden eines Sohnes von Freunden herumschlagen zu müssen.
    Doch zurück zum Diener-Test. Zunächst galt es eine schriftliche Prüfung zu bestehen, bei der der Kandidat sämtliche Häuser (in alphabetischer Reihenfolge), die jeweiligen Hausvorsteher, die Haus-Präfekten und ihre Zimmernummern aufzuzählen hatte. Weiterhin mußte man die Namen und Kürzel sämtlicher Klassenlehrer kennen und wissen, wo ihre Klassenräume lagen. Da es sich um eine altehrwürdige Institution handelte, die ihre Blüte im Viktorianismus erlebt hatte, war Uppingham wie jede englische Stadt oder gar wie die englische Sprache selbst in einer Weise angeschwollen, aufgedunsen und ins Kraut geschossen, die jedweder Logik, Vernunft oder Planmäßigkeit entbehrte. Der Neuankömmling mußte sämtliche Spielfelder kennen, die Räumlichkeiten der Musikabteilung, der Kunstabteilung, der Werkstätten für Holz- und Metallarbeiten sowie aller nur denkbarer Einrichtungen. Da dies sozusagen zum Pflichtpensum des Diener-Tests gehörte, hatte ich davor keine Angst. Ich habemich stets auf mein ausgezeichnetes Gedächtnis verlassen können; der unbekannte Teil des Tests bestand in dem Recht des Hauspräfekten, der die Prüfung abnahm, zusätzlich zu dem Faktenwissen noch alle möglichen unkalkulierbaren Fragen zu Schulslang, Spitznamen und bestimmten Sitten und Gebräuchen zu stellen. Ein mit Kopfsteinen gepflasterter Weg, der an der Bücherei vorbei zur Mittel-Kolonnade führte, hieß beispielsweise »Der fliegende Teppich«, und ein mit kleinen, hochstehenden rechteckigen Steinen gepflasterter Durchgang wurde bisweilen als »Block-Schokolade« bezeichnet. Es gab Dutzende und Aberdutzende solcher Spitznamen für Leute, Räume und Orte der Schule, die man sich normalerweise über Monate und Jahre aneignete, aber sie alle binnen zehn Tagen zu lernen war eine harte Nuß.
    Wer im Diener-Test durchfiel, hatte eine harte Strafe zu erwarten: eine Prügelstrafe durch den Hauspräfekten. Ich hatte das ungute Gefühl, daß Mitschüler weitaus weniger zimperlich zuschlagen würden als der Direktor einer Prep School. Das Gesicht unseres Hauspräfekten Peck zierten breite Koteletten, die natürlich nichts im Vergleich zu Edward Thrings Kaiserbart waren, aber dennoch Eindruck schindeten und zumindest auf mich wie ein Zeichen überschüssiger Kraft wirkten. Auch das Wort »Prügelstrafe« weckte in mir Schreckensvisionen von an den Mast gebundenen Matrosen, die auf ein Stück Leder bissen, während die Peitsche auf ihren Rücken knallte.
    Peter Pattrick widmete sich seiner Unterweisungsaufgabe mit großem Ernst, denn wenn ich durchfiel, wurde auch er bestraft. Bestand ich hingegen und erzielte ein

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