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01 Columbus war ein Engländer: Geschichte einer Jugend

01 Columbus war ein Engländer: Geschichte einer Jugend

Titel: 01 Columbus war ein Engländer: Geschichte einer Jugend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Fry
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sich nach ihrem Studium als Angestellte der gleichen Großbank zufällig wieder über den Weg laufen, ist es natürlich genauso cool, zu den Nachnamen zurückzukehren.
    »Ich werd nicht mehr! Taylor!«
    »Hallen, du alter Stinkstiefel!«
    Zu guter Letzt, ob nun Liddell und Scott doch irgendwie mitgespielt hatten, bestand ich den Diener-Test mit 97 Prozent, was neuer Hausrekord war. Ich erinnere mich noch an das Glücksgefühl, als ich das Wort »Ausgezeichnet!« in Pecks Handschrift neben mein Ergebnis gekritzelt sah. Peck trug die gestreiften Hosen und die schwarze Weste der Sixth Form sowie die Kreissäge der Schulpräfekten, aber ich glaube mich auch zu erinnern (sofern ich jetzt nicht komplett danebenliege), daß er ein Faible für cremefarbene seidene Halsbinden hatte, wie sie die Jäger tragen. Für mich war er wie ein junger Gott – und das um so mehr, nachdem ich ihn beim Schultheater in der Rolle des Volpone gesehen und erkannt hatte, was für ein großartiger Schauspieler in ihm steckte. Ich glaube, er war der einzige ältere Junge, in den ich je verschossen war, wenn man mir diesen gouvernantenhaften Ausdruck verzeiht. Es war kein echtes Schwärmen oder Verknalltsein, wie die anderen es manchmal abfällig nannten, aber »verschossen in« trifft die Sache schon ziemlich genau.
    Noch heute kann ich die zwölf Häuser – wie vermutlich jeder ehemalige Uppingham-Zögling – in alphabetischer Reihenfolge herunterbeten, nämlich
    Brooklands
    Constables
    Farleigh
    Fircroft
    The Hall
    Highfield
    The Lodge
    Lome House
    Meadhurst
    School House
    West Bank
    West Dean
    Wie aus der Aufzählung deutlich wird, trugen die meisten Häuser ausgesprochen bourgeoise Namen. »Meadhurst«, »Farleigh« oder auch mein eigenes Haus »Fircroft« klingen wie Villen in Carshalton oder Roehampton, die versteckt hinter Lorbeerbüschen im Schatten von Schuppentannen liegen. Ungeachtet ihrer Namen waren unsere Häuser natürlich größer als die üblichen Vorstadtvillen, da sie Schlafsäle und Waschräume für fünfzig Jungen, Arbeitszimmer, Duschen, einen Speisesaal samt Küche sowie Stiefelkammern, Lagerräume und was Häusermakler früher »die üblichen Wirtschaftsräume« nannten, enthalten mußten. Außerdem mußte noch für die Wohnung des Hausvorstehers, den sogenannten »Privattrakt«, gesorgt sein, wo er ein mehr oder weniger abgeschottetes Leben mit Frau und Familie führen konnte. Die Frowdes hatten zwei Kinder und einen Golden Labrador, der auf den Namen Jester hörte. Für einen quicklebendigen Hund kann ich mir kein besseres Zuhause als eine Internatsschule vorstellen. Ein Junge mochte noch so angeödet vom Leben, den Lehrern oder sich selbst sein, zum Glück gab es immer noch einen Hund, mit dem man sein Essen teilen und dem man übers Fell streicheln konnte. Und wenn man sich gegenüber seinen Mitschülern erwachsen, zynisch und cool zu geben hatte, so konnte man mit dem Hund wie ein kleiner Junge lachen, toben und herumtollen.
    Jedes Haus hatte einen eigenen Charakter, ein eigenes Wesen, einen eigenen Geruch und eine eigene Atmosphäre. Einige waren für ihre vielen Schlauköpfe bekannt, anderewiederum stellten überdurchschnittlich viele gute Sportler. Ein Haus mochte als besonders undiszipliniert und chaotisch gelten, während ein anderes als Brutstätte für Schwuchteln und Tunten berüchtigt war. Fircroft lag irgendwo dazwischen. Frowde war kein Zuchtmeister, der Jungen prügelte oder zusammenstauchte. Der Hausvorsteher von West Bank (den Spitznamen dieses Hauses kann sich jeder wohl denken) hingegen war einer der furchterregendsten Menschen, denen ich je begegnet bin, und prügelte wie eine Dreschmaschine. Er unterrichtete mich in Latein und schrieb mir einmal ins Zeugnis:
    Geistlos, unbeständig, provozierend und ausweichend in seinen Antworten. Eine Enttäuschung.
    Was im Grunde den Nagel auf den Kopf traf. Ich bewunderte und schätzte ihn sogar, denn er hatte zumindest Prinzipien. Für mich waren Lehrer, die Angst und Schrecken verbreiteten, in gewisser Weise ein Segen. Wäre dieser Mann, der Abbot hieß, aber mein Hausvorsteher gewesen, wäre ich vermutlich noch in der ersten Woche ausgerissen. Einmal stockte er mitten in der Lateinstunde in einem Vortrag über Horaz. Aus unserem Schlummer gerissen, hoben wir unsere Köpfe und sahen, daß er eine Taube anstarrte, die sich auf dem Fenstersims niedergelassen hatte. Geschlagene drei Minuten fixierte er bloß diese Taube und schwieg. Wir warfen uns fragende

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