01 - Der Ring der Nibelungen
der Schläge zu fallen. Immer wieder streifte die Klinge seinen Arm, seine Schenkel, seine Brust, ohne dabei Blut zu finden.
Siegfried wurde klar, dass er seine Taktik ändern musste. Er hatte keine Ahnung, warum seine Haut so undurchdringlich war wie die des Drachen Fafnir, aber es gab ihm den Vorteil, nicht mehr so stark auf die Abwehr der Hiebe achten zu müssen. Sollte Hjalmar doch wie rasend auf ihn einschlagen und dabei seine Deckung verlieren.
Siegfried hielt die Klinge des Dänen nun mit beiden Armen von sich und fing sie sogar mit dem Ballen seiner linken Hand ab, ohne die Finger blutend im Gras zu finden.
In Hjalmars Augen kämpften Besessenheit und Panik um das Recht, Ausdruck zu bekommen. Wo eben noch Taktik und gelernte Schwertkunst geherrscht hatten, brach nun die blanke Gewalt durch, die Herrschaft von Wut und Verzweiflung. Siegfried rechnete es dem König an, dass er nicht um Hilfe rief.
Wie zum endgültigen Schlag holte Hjalmar nun aus, das blitzende Metall von rechts nach links reißend, in der Hoffnung, sich Siegfrieds Kopf zu holen und den Kampf so zu beenden. Die Reste der schwindenden Kraft im Schwert, wurde er von der eigenen Klinge mitgerissen, als Siegfried ihr duckend auswich.
Nothung fand seinen Weg von selbst und stieß sich Hjalmar durch den Rippenbogen, als wolle es ihn an einen Baum nageln. Bis zum Heft drang die Klinge ein, und als der Griff das Hemd des dänischen Königs berührte, tropfte an seinem Rücken schon Blut von Nothungs Spitze.
Hjalmar und Siegfried standen nun Auge in Auge, der Däne nur vom Schwert des Gegners aufrecht gehalten.
Blut sprühte aus seinem Mund, als Hjalmar seine letzten Worte sprach. »Xantener . . . Bastard! Tod sei . . . dein Begleiter!«
Siegfried ließ ihn von der Klinge rutschen, sein Atem ging schwer. Er wischte sich über das Gesicht und drehte sich müde im Kreis. Die Gesichter, die er sah, und das schloss Gunther, Hagen und Gernot mit ein, spiegelten Ehrfurcht in gleichem Maße wie Entsetzen. Sie alle hatten einen Kampf gesehen, der keiner war. Hjalmar hätte genauso gut versuchen können, einem Findling den Todesstoß zu versetzen.
Siegfried war . . . unbesiegbar?
Hagen sprach es als Erster aus, aber leise und nur für das Ohr seines Königs. »Er ist der Sohn des Drachen.«
Siegfried riss die Arme in die Höhe, das Schwert in der Hand. »Ich bin Siegfried, Sohn von Siegmund und Sieglinde von Xanten!«
Immer noch herrschte Schweigen.
Gunther sprang von seinem Pferd und hob ebenfalls die Arme; seine Hand griff die Faust seines Freundes, die das Schwert hielt. Gemeinsam wandten sie sich an die Truppen des toten Königs. Der Herrscher von Burgund verkündete nicht das Ergebnis des Kampfes, sondern seine Folgen: »Siegfried - König von Xanten und Dänemark. Siegfried - euer König!«
Und nun brach der Jubel aus, den Siegfried sich erhofft hatte.
Die begeisterten Schreie der Männer, die nun zu seinem Volk gehörten, waren schnell verklungen und hatten einer Flut an Fragen Platz gemacht, die Siegfried den Kopf dröhnen ließen. Er hatte bisher nur daran gedacht, mit Hjalmars Tod den Thron Xantens zu erringen. Doch es waren nun zwei Königreiche ohne Herrscher, und es wurde von ihm erwartet, auch Dänemark zu regieren.
Siegfried hatte sich mit Gunther, Hagen und Gernot ins Königszelt zurückgezogen, um das weitere Vorgehen zu besprechen.
»Xanten und Dänemark brauchen eine starke Hand«, sagte Gunther. »Sie wurden bisher von Hjalmar straff regiert. Eine unzureichende Führung könnte schnell Aufstände auslösen, wenn nicht gar Bürgerkriege.«
Siegfried wandte sich an Hagen. »Du hast mit den Heerführern auf dänischer Seite gesprochen. Wo stehen sie?«
»In niemandes Schuld außer der eigenen«, knurrte der alte Ratgeber. »Hjalmar war nicht sehr beliebt bei seinen Männern. Lasst zwei, drei Köpfe rollen, und werft ein paar Münzen in die Runde, schon stehen Heer und Kanzlei hinter Euch.«
»Du solltest dich den Menschen am Hofe von Xanten zeigen«, schlug Gernot vor. »Sie haben lange auf ihren König warten müssen.«
Siegfried rieb sich die Augen. »Nichts würde ich lieber. Doch weder will ich allein den Thron besteigen noch die Krone erst auf ihm empfangen.
»Dann kehre mit uns heim«, schlug Gunther vor. »Im Dom zu Worms soll dich unser Bischof zum König von Xanten und Dänemark krönen, und dann kannst du in einer großen Parade stolz durch dein Volk reiten! Und im Sack wirst du den Rest deines Goldes
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