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01 - Der Ring der Nibelungen

01 - Der Ring der Nibelungen

Titel: 01 - Der Ring der Nibelungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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richtete er sich wieder auf und ging in Richtung Norden davon. Elsa erwog, sich einfach von der Mauer fallen zu lassen. Ihr Leid würde auf den Steinen vor der Burg ein blutiges Ende haben, denn Tote kannten keine Väter mehr.
    Von Süden hörte sie eine leise freundliche Stimme. »Ich dachte schon, er würde dich den Rest des Abends in Beschlag nehmen.«
    Sie sprang aus ihrer Mauernische, als hätte der Stein zu glühen begonnen. »Gernot!«
    Der junge Prinz von Burgund stand in der Dämmerung, in frisches Leinen gekleidet, den Körper im Wasserschwall geschrubbt. »Selbst als Bruder des Königs würde ich Hagen ungern . . . «
    Weiter kam er nicht, denn Elsa versiegelte seine Lippen mit einem Kuss, und ihre Arme pressten ihn an sich, als wollte ihn jemand von ihr zerren.
    Gernot genoss die Zärtlichkeit, die dem blassen, kalten, dunklen Äußeren des Mädchens spottete - Elsa war weich und stark, hell und heiß. Er empfing sie in seinen Armen, strich mit den Händen über ihre glatten Haare und ihren Rücken.
    Der Kuss war mehr als nur Begierde - er war Erlösung vom Versteckspiel, vom Tanz der Worte, die sorgsam darauf achteten, die Wahrheit nicht zu berühren. Was nicht ausgesprochen werden durfte, war in der Tat nun bloßgelegt.
    Nach einer Ewigkeit, die nur Sekunden währte, lösten sie ihre Lippen, um endlich einander in die Augen zu sehen.
    »Als du bei der Heimkehr nicht zum Gruße standest, drohte mein Herz zu brechen«, flüsterte Gernot.
    Elsa lächelte mit strahlendem Blick. »Euer Anblick hätte mich vor dem Hofstaat in Ohnmacht fallen lassen. Hätte ich bei der Abreise gewusst, wie sehr ich Euch vermissen würde - mit einer Kette hätte ich mich an Euch gebunden. Jeden Tag meinte ich, sterben zu müssen.«
    Mit der rechten Hand strich er zärtlich ihre Augenbrauen nach, berührte die Stirn, die Nase, die Lippen. »Ich kam nicht zurück, um dich zu begraben.«
    Sie küsste seine Fingerspitzen. »Ihr wisst, dass ich Euch gehöre.«
    Sein Blick ging ihr noch tiefer, als wollte er in ihre Seele schauen. »Nicht vor Gott, und nicht vor Burgund.«
    Ihr Herz setzte einen Schlag lang aus, und die hässliche Erinnerung daran, dass sein Stand ihr allenfalls den Rang einer heimlichen Geliebten gestattete, riss sie aus dem Glück des Augenblicks. »Ich verstehe, und ich gehorche. Was immer Ihr mir zu geben vermögt, es wird genügen.«
    Gernot runzelte die Stirn. »Wovon sprichst du?«
    »Vom Königshaus und dem, was nicht sein darf«, flüsterte Elsa. »Aber ich verlange nicht, was mir nicht zusteht.

    Seien es nur gestohlene Küsse wie dieser - mein Glück könnte nicht größer sein. Vor Eurem Bruder, meinem Vater, dem ganzen Hofstaat werde ich das Geheimnis wahren.«
    Der zweifelnde Gesichtsausdruck des Prinzen hellte sich in Spott auf. »Das ist es, was du denkst? Dass ich deine Liebe als Dienst will, wie den eines Kochs oder Jägers?«
    Elsa war verwirrt und ließ von ihm ab. »Mein Vater sprach soeben von der Etikette und der Pflicht bei Hofe . . . «
    Gernot blickte sich um, als müsse er die angemessene Antwort in der Dunkelheit erst suchen. Dann ging er auf die Knie vor ihr und senkte den Kopf. »Elsa von Tronje, ich spreche von Liebe.«
     

    Burgund war ein christliches Reich, doch die Freuden der Völlerei und der fleischlichen Lust waren noch gut bekannt. Mochten auch die heiligen Tage der Kirche gehören - zum Fest war alles erlaubt, was Mann und Frau gefiel.
    Musikanten spielten, Akrobaten sprangen, Feuerschlucker spien Flammen wie Fafnir, während die Diener bei Hofe schwere Platten mit fettem Fleisch zu den Tafeln trugen. Soldaten tanzten mit Hofdamen, und in so mancher Ecke gab es unschickliche Heimlichkeiten, befeuert von süßem Wein und herbem Bier.
    Auch in Worms tanzten die Menschen um Freudenfeuer, die an den Kreuzungen der Straßen entfacht worden waren. Von den Burgmauern aus konnte man meinen, dass die Stadt sich im Taumel verbrannte.
    Inmitten des Gelages, das den Thronsaal in ein Schlachtfeld der Genüsse verwandelt hatte, saßen Gunther und Hagen und tuschelten miteinander.
    »Es liegt an uns, nun die Initiative zu ergreifen, bevor Siegfried es tut«, murmelte Hagen, sein Anliegen erneut vorbringend. »Wenn Ihr wartet, bis er um die Hand der Prinzessin bittet, wird ihn Eure Antwort beleidigen - und nichts darf uns ferner liegen, als den König von Xanten und Dänemark zu verstimmen. Wenn wir ihm aber Kriemhild als Geschenk bieten, ist sein Dank der Schlüssel zu unserem

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