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01 - Der Ring der Nibelungen

01 - Der Ring der Nibelungen

Titel: 01 - Der Ring der Nibelungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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leicht, in diesem Dämmerlicht die Umrisse der Gestalt auszumachen, die mit einem Speer über ihn gebeugt stand.
    Die Gedanken in Siegfrieds Kopf, eben noch träge und ziellos, hetzten nun umher, auf der Suche nach einem Ausweg, der ihm aus diesem Dilemma helfen konnte.
    Kampf? Er hatte wenig Kampferfahrung, und sein Gegner stand in voller Rüstung. Siegfried hatte auch keine Waffe, und der reich verzierte Speer, der seine Brust wie eine Zielscheibe anvisierte, war eindeutig von höchster Qualität. Und zu guter Letzt - er lag auf dem Rücken und würde vermutlich nicht einmal bis auf die Knie kommen, bevor sein Herz von der Spitze durchbohrt war.
    Er blieb ruhig liegen und atmete so flach, dass sein Brustkorb sich kaum noch der Speerspitze entgegenhob. Der Gegner, der ihn so feige überrascht hatte, kam aus den Nordländern. Die Kleidung aus grobem Leder und viel Fell ließ darauf schließen. Und der lederne Helm, den Siegfried im Halbdunkel ausmachen konnte, trug keine Zeichen eines hohen Hauses.
    Er fragte sich, was nun geschehen würde. Der Fortgang dieser seltsamen Begegnung lag nicht in seiner Hand.
    Die Gestalt, die über ihm stand, zog den Speer leicht zurück. »Sieh an, er lebt. Nicht, dass er es verdient hat - unvorsichtig, wie er war.« Die Stimme, die unter dem Helm dünn und hell klang, war voller Hohn und Spott.
    »Es ist mein Wald«, presste Siegfried nun hervor. »Kein Gegner kann sich hier mit mir messen.«
    »Dann sollte er eine Mauer um seinen Wald ziehen«, schlug der fremde Krieger vor. »Was ist das für ein Kerl, der keinen Gegner hat und nicht gleich auszieht, einen zu finden?«
    Endlich nahm die Gestalt den Speer zurück und trat einen Schritt vom Bach weg. Siegfried konnte sich aus seiner würdelosen Lage erheben. Doch er blieb im Wasser stehen, unsicher, was sein Gegenüber nun vorhatte.
    Er war etwas überrascht - der nordländische Krieger war nicht so groß gewachsen, wie es seine Landsleute in den Kriegsgeschichten immer waren. Muskulöse, aber schmale Arme schauten aus den Fellen hervor, und Siegfried bemerkte kleine Füße, die auch in Fellstiefeln nicht größer waren als seine eigenen, wenn er kein Schuhwerk trug. 

    Er hatte noch nie einem bewaffneten Gegner gegenübergestanden, und von den Gepflogenheiten unter Kriegern wusste er nichts. Aber er war nicht tot, und angesichts der Leichtigkeit, mit der dieser Fremde das hätte ändern können, musste er sich wohl glücklich schätzen.
    »Ich bin Siegfried, Sohn von Regin dem Schmied«, gab er die halbe Wahrheit preis. »Wer greift einen unbewaffneten Mann an?«
    Die Gestalt trat auf ihn zu. »Mein Name ist Brun . . . Brungar. Wäre es ein Angriff gewesen - der Bach würde dein Blut schon zum Rhein tragen. Aber ich suche Gegner, keine Opfer. Zeige er mir einen Mann, und ich zeige ihm einen Kampf.« Da war er wieder, dieser seltsame hohe Klang in der Stimme.
    Siegfried streckte den Rücken. »Ich bin ein Mann - und ein Krieger! Wären wir in gleicher Lage . . . «
    Brungar spuckte auf den Waldboden. »Er denkt, meine Waffe ist alles, was mich ihm überlegen macht?«
    Siegfried ärgerte sich über die seltsame Art, wie sein Gegner über ihn sprach. »Es wäre leicht zu beweisen.«
    Brungar dachte nicht eine Sekunde nach, sondern rammte den Speer in den Boden, wo er fast zwei Handbreit versank. »Er soll die Gelegenheit bekommen. Kämpfe.«
    Damit hatte Siegfried nicht gerechnet. Die meisten Jungen im Dorf gingen jeder Rauferei mit ihm aus dem Weg, weil er so stark wie sonst keiner war. Trotz seiner wilden Natur hatte Siegfried noch nie wirklich kämpfen müssen.
    Unsicher machte er einen Schritt nach vorne. Brungar ging einen Schritt zurück. Siegfried setzte nach, der fremde Krieger hielt den Abstand.
    Das ging ein paar Schritte lang so, und Siegfried wurde ungeduldig. Was für ein Kampf war das?

    »Hast du vor zu fliehen?«, fragte er, halb spottend, halb hoffend.
    »Er wollte diesen Kampf - nun muss er ihn sich holen«, knurrte Brungar.
    Das hatte sich Siegfried schon gedacht - und war mit einem kräftigen Satz nach vorne gestürmt, bevor sein Gegner zu Ende gesprochen hatte. Beide Arme streckte er aus, um die seltsame Gestalt, die ihn in seinem Wald überfallen hatte, zu packen.
    Brungar trat in einer fließenden Bewegung nach rechts zur Seite, packte Siegfrieds linkes Handgelenk und drehte es nach außen.
    Noch nie hatte der junge Mann einen Schmerz wie diesen verspürt. All die Knochenbrüche, die er sich als Kind zugezogen

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