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01 - Der Ring der Nibelungen

01 - Der Ring der Nibelungen

Titel: 01 - Der Ring der Nibelungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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beschützen.«
     
    Jahrhunderte waren die Hunnen geritten, vom Aufgang der Erschaffung der Welt her. Es hieß, sie kamen von der anderen Seite der Welt, wo Ungeheuer sie vertrieben hatten. Zu Pferd waren sie in Dutzende Reiche eingefallen, kaum mehr als Flammen und Blut hinterlassend. Mit schärferen Klingen und schnelleren Bogen hatte sie Heere bezwungen, die ihre Zahl dreifach überstieg. Doch seit zwei Generationen hatte ihr Reich nicht mehr an Größe gewonnen. Die Rhein-Dynastien waren ihnen von Westen her entgegengetreten, und die Legionen von Rom und Byzanz waren von Süden her gekommen, um das Steppenvolk aufzuhalten. Erst mit Schwert und Schild, danach mit Gold. Zum ersten Mal waren die Hunnen darauf angewiesen, dem Boden und dem Vieh die Nahrung abzuringen und Behausungen zu bauen, die mehr als nur dem Sturm widerstanden. Keine zwei Steine hatten die wilden Krieger jemals aufeinander gesetzt, und nun mussten auf einmal Städte her, in denen Kinder spielen und Frauen Mahlzeiten bereiten konnten.
    Gran war die erste Siedlung gewesen, noch vor Buda weit im Osten. In acht Jahren hatten sich die Hunnen hier eingerichtet. Kriemhild war nicht wenig beeindruckt von dieser jungen Stadt, die den Namen so gar nicht zu verdienen schien. Von der Fläche her war Gran weit größer als Worms, und es wuchs, während man ihm zusah. Aber es gab keine Straßen, keine Verwaltung, kein Zentrum. Wild standen Zelte herum und Hütten aus grob gehacktem Holz. Manche Konstruktionen nutzten komplizierte Gitter aus Stämmen, die mit Leder bespannt waren. Nur schmale Fundamente hatten die Soldaten, die von Mundzuk dazu angetrieben worden waren, in Stein gesetzt. Jedes Gebäude war willkürlich, und manche wuchsen ineinander. Wer sich durch die Stadt bewegte, tat es auf schlammigen Wegen, die nicht angelegt, sondern durch schiere Benutzung aus dem Gras getrampelt worden waren. Es gab weder Kloaken noch die Möglichkeit, Unrat zu entsorgen, es sei denn, durch Vergraben. Das Vieh war nicht eingesperrt, sondern lief frei herum, bis es einem hungrigen Soldaten ins Messer lief, um dann, roh getrocknet unter der Satteldecke, in zähen Streifen als Nahrung zu dienen; Feuerstellen waren den Hunnen nur als Wärmequelle dienlich. Nicht minder dreckig als die Tiere waren die Kinder, um die sich niemand recht zu kümmern schien. Wenn ihre kleinen Arme stark genug waren, erlaubte man ihnen, bei den Soldaten die Kunst des Bogenschießens zu erlernen, und ihre Beine lernten früh, Pferde geschickt zu lenken.
    Unter die abertausend fremdländischen Krieger hatten sich im Laufe der letzten Tage beinahe ebenso viele Soldaten unter der Flagge Xantens und Dänemarks gemischt. Es war Kriemhilds ausdrücklicher Wunsch gewesen, beide Heere zu einen, auch und gerade weil Misstrauen zwischen den Völkerschaften herrschte. Im täglichen Umgang, am Topf wie am Zaumzeug, sollten die Völker voneinander lernen. Es hatte dafür viele Raufereien gegeben und manche heimliche Stecherei, aber Soldatenherzen waren jenseits aller Grenzen ähnlich, und so hatten sich viele Krieger beim Becherklang am Lagerfeuer gefunden wie alte Freunde.
    »Wir sind ein wildes Volk und stolz«, erklärte Etzel, als er Kriemhild ohne jegliche Eskorte durch Gran führte. »Doch unsere Seele kannte bisher nur die Reise, nie das Ziel. Es war im Sinne meines Vaters, den Hunnen Heimaterde zu geben. Gran mag nicht Rom sein, nicht Konstantinopel, aber es ist die Saat für etwas, das trotz aller gewonnenen Kriege nie auf den Karten zu verzeichnen war - das Reich der Hunnen!«
    Kriemhild nickte, weder von Lärm noch Dreck verschreckt. »Die Barbarei ist auch in meinem Volk erst seit wenigen Generationen gebannt. Es wäre kaum aufrichtig, den Hunnen etwas vorzuwerfen, von dem auch in Burgund noch viele Lieder singen.«
    Etzel lächelte - er hatte für einen Krieger ein kluges, freundliches Lächeln. »Mit jedem Wort aus deinem Mund festigt sich mein Glaube, richtig gewählt zu haben. Du wirst uns helfen, neben den Galliern, den Goten, den Franken und den Sachsen aufrecht zu stehen. Respekt, nicht durch das Schwert erzwungen, sondern verdient in Edelmut und großer Leistung. Es ist eine Schande, dass Mundzuk dich nicht mehr kennen lernen konnte. So sehr der alte Hunne Söhne liebte, so wusste er doch kluge und starke Frauen zu schätzen.«
    »Auch ich bedauere den Tod des großen Anführers. Mich wundert nur, wie wenig das Volk scheinbar daran Anteil nimmt. Ich sehe keine Trauer in den Gesichtern

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