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01 - Der Ring der Nibelungen

01 - Der Ring der Nibelungen

Titel: 01 - Der Ring der Nibelungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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knarzenden Wurzeln. Siegfried versuchte, die geächzten und geheulten Laute zu ignorieren, ihren Ruf als Einbildung abzutun.
    Sieee . . . frieee . . .
    Seine Muskeln erschlafften, seine Knie gaben nach. Erst jetzt fiel ihm auf, dass er den Beutel mit dem Essen schon vor einer Weile weggeworfen haben musste. Die Götter drehten die Welt um ihn herum, als wollten sie seine Sinne narren, die Bäume beugten sich zu ihm, mehr drohend als fürsorglich. Sein Name, bisher flüsternd und dünn, zischte nun deutlich und wie Trommelschlag durch den Wald.
    Siegfried! Siegfried! Siegfried!
    Er hielt sich die Ohren zu, doch das Wort drang durch seine Augen, seinen Mund, seine Nase.
    Siegfried! Siegfried! Siegfried!
    Er packte mit zitternden Händen Nothung und wickelte es aus dem Leder. Mit der Rechten packte er das Heft, seine linke Hand umfasste die Klinge nahe der Stelle, an der sie sich zur Spitze verjüngte. Auf den Boden sinkend, hielt er das Schwert in die Höhe. Er spürte, wie das Metall in sein Fleisch schnitt, wie sein eigenes Blut auf ihn herabtropfte, um dann von der Erde getrunken zu werden.
    Siegfried! Siegfried! Siegfried!
    Die Stimme, die eine war oder viele, verebbte, flüchtete immer weiter in den Wald, löste sich wieder in Geräusche auf, die nur noch Wind und Holz verrieten. Es brauchte einen Schrei aus Wut und Entschlossenheit, damit Siegfried wieder auf die Beine kam. Sein Geist klärte sich endlich, und sein Herz pumpte die Kraft in seine Muskeln zurück.
    Er prüfte seine linke Hand, von der immer noch das Blut aus einer schmalen Wunde floss. Siegfried konnte sich nicht mehr erinnern, wann er das letzte Mal seinen eigenen Lebenssaft gesehen hatte. Mit Nothungs Hilfe schnitt er einen Lederstreifen ab und verband die Hand gerade so, dass ihre Beweglichkeit erhalten blieb. Dann machte er sich wieder auf den Weg.
    Siegfried fragte sich, ob alle Krieger, die vor ihm gekommen waren, um Fafnir zu stellen, von solch unsichtbaren Mächten bedrängt worden waren. Und warum der Wald seinen Namen kannte.
    Der Nebel wurde dichter, als wollte er die Schande überdecken, die den Landstrich heimgesucht hatte - verbrannte Bäume, durchfurchte Erde, ausgetrocknete Bachbetten, in schwarzem Ruß zersplitterte Steinbrocken.
    Wenn Fafnir wirklich Feuer spie, dann hatte er jede Feuchtigkeit, die dem Wald jemals Leben gegeben hatte, im Flammenodem verkocht. Und überall der Geruch von Brand und Asche, von kaltem Rauch und heißem Tod.
    Sein Weg führte Siegfried nun leicht bergauf, und zwischen Steinen und Geröllhalden sah er die Eingänge vieler Höhlen, die wie von spielenden Götterfingern in die Berge gebohrt worden waren.
    Er fragte sich, wie er den Drachen finden sollte, wenn dieser schlafen sollte. Seine Zeit war begrenzt, und er konnte nur darauf hoffen, dass Fafnir Eindringlinge in sein Reich mit wenig Gleichmut empfing.

    Es knirschte und knackte hart unter seinen Füßen, und Siegfried bemerkte, dass er auf die Rippen eines Skeletts getreten war, von dem nur noch fahle Reste aus dem Boden ragten - der Schädel, eine Knochenhand und ein paar Rippen. Der Anblick schreckte ihn nur mäßig, hatte er solche Vorboten des Schreckens doch schon auf der Reise nach Worms gesehen.
    Doch erschrocken hielt er den Atem an, als vor ihm ein Reiter auf seinem Pferd aus dem Nebel auftauchte. Wie zum Schlafe schienen beide an einen vormals mächtigen Baum gelehnt, dessen verkohlter Stumpf noch in der Lage war, ihre Körper zu stützen.
    Vorsichtig ging Siegfried näher heran. Es war ein Anblick, der selbst Heiden zu Christen machen konnte - einer der burgundischen Krieger, in voller Montur und das Schwert noch in der Hand, im Aufschrei verbrannt. Das Fleisch trocken und rissig an die Knochen gesogen, nur die Zähne weiß bleckend wie in einem letzten Gelächter. Ebenso das Pferd, geröstet, bevor es seinen Reiter hatte in Panik abwerfen können. Es war nun in der Tat nicht schwer, den Weg zu Fafnir zu finden, denn verkohlte Leiber säumten ihn wie stumme Wegweiser zum Tod.
    Siegfried versuchte, die Tageszeit zu bestimmen, aber das war unmöglich. Der Nebel trübte das Sonnenlicht zu stark, und eine Himmelsrichtung war auch nicht auszumachen. Sein Gefühl für die Stunden hatte er verloren, als der Wald ihn unter seine Knute zu zwingen versucht hatte. Er hatte Nothung nun nicht mehr eingewickelt, sondern hielt es schlagbereit in der rechten Hand. Seine Muskeln waren angespannt und sein Blick konzentriert.
    Ein schwarzer, massiger Leib

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