01 - Die verbotene Oase - Mein neues Leben im Harem der Frauen
sowie mir und Josh auf den weiten Weg zum Regenwald an der Küste machen wollte, stand ich wieder vor Sonnenaufgang auf, um mein Ritual abzuhalten. Ich kehrte zum Brunnen zurück und wusch mir das Gesicht.
Mama Bisi hatte mich erwartet.
„Ich habe deiner Mutter versprochen, dich niemals allein zu lassen“, sagte sie.
„Dennoch begleite ich dich jetzt nicht. Ich bin sicher, dass du zurückkehren wirst.“
„Kümmere dich um Magdalena. Ich glaube, ganz so stark, wie sie immer tut, ist sie gar nicht“, bat ich.
„Ich weiß“, entgegnete meine Lieblingsmama, „sie ist genau wie eure Mutter und wie du.“
„Dann braucht sie deinen Beistand ebenso wie ich.“ Wir hielten uns schweigend in den Armen.
Mama Bisi küsste mir die Stirn. „Werde gesund, meine Tochter. Du bist mein letztes Kind.“
Wenig später fuhren wir aus dem Compound. Alle meine Gefährtinnen winkten.
Ich wusste, dass dies kein Abschied für immer war. Ezira hatte gesagt, es gebe kein Ende. Es sehe nur so aus. Ich würde zurückkehren. Irgendwann und irgendwie.
Ein Brief von Magdalena
Jeba, den 20. April 2002
Liebe Choga!
Heute ist der zweite Todestag unserer Mutter. Ich habe ihrer in deinem Sinne
gedacht und ihr ein paar Früchte von unserer Farm ans Grab gelegt. Außerdem
habe ich ihr gesagt, dass du und Josh in wenigen Wochen wieder hier bei uns
sein werden. Du kannst dir wahrscheinlich vorstellen, wie sehr uns alle die
Nachricht von eurer Rückkehr freut. Wir werden euch ein wundervolles Fest
bereiten.
Ich habe so gehofft (und gebetet!), dass ihr beiden euch bei Ezira erholt. Was
du schreibst, klingt sehr ermutigend. Sag auch Josh, dass ich mich über
seinen Brief sehr gefreut habe. Er hat mich neugierig auf Ezira gemacht. Ich
würde sie auch gerne einmal kennen lernen. Halte meine Nachfrage bitte nicht
für indiskret: Josh schreibt, Ezira sei eine Frau mit einem halben Gesicht?
Meint er das in übertragenem Sinne? Weil er sich irgendwie vor ihr fürchtet?
Oder ist sie krank? Ich habe versucht, Amara auszufragen. Doch sie sagt nur,
wenn ich die Antwort bekommen soll, dann wird es geschehen. Immer diese
Orakelei!
Funke und ich haben übrigens die Aufgaben von Ngozi übernommen und
schlagen uns mit der Kooperative der Händlerinnen herum. Rose hat leider
dummes Zeug über uns erzählt, was die Sache für uns nicht einfacher gemacht
hat. Daraufhin hat Mama Bisi sich daran erinnert, wie du mit Herrn Musa
umgegangen bist. Ich nenne es so: Umarme deine
Gegner. Entsprechend habe ich Roses Verwandte gefragt, ob sie ihre Kinder
von mir unterrichten lassen wollen. Sie haben mit der Antwort nur eine Woche
gezögert. Nun kommen wir auch mit der Kooperative besser zurecht. Du
siehst: Es gibt immer einen Weg, um nach vorn zu blicken.
Das Heilhaus war bald nach eurer Abreise fertig; es ist nicht so groß
geworden, wie ich gedacht hatte. Amara sagt jedoch, dass du es so wolltest.
Sie hat natürlich Recht. Es geht darum, dass unseren Gefährtinnen geholfen
wird. Wir können, wie du einmal sagtest, nicht die ganze Welt retten.
Die Schule steht übrigens auch wieder. Für Josh ist vorn in der ersten Reihe
ein Platz reserviert.
Mit diesem Brief werde ich auch einen anderen abschicken, an meine Schule in
Deutschland. Ich werde hier bleiben. Denn ich kann es mir nicht mehr
vorstellen zurückzukehren.
Ich gebe den Brief jetzt Bisi, damit sie dir auch noch ein paar Worte schreibt.
Wir sitzen oft bei den Bougainvilleabüschen und blicken hinaus auf das weite
Land. Dann sind wir in Gedanken bei dir.
Ich umarme dich.
Deine Schwester Magdalena
Mach es wie die Schildkröte, meine Kleine. Leg dir einen Panzer zu. Ich nehme
dich und Josh in die Arme.
Deine Mama Bisi.
Die wichtigsten im Buch erwähnten Personen
Choga (gesprochen: Koga) Regina Egbeme, geboren 1976 in Lagos/Westafrika in einem Harem. Bei ihrer Geburt kam es zu Komplikationen, weshalb sie gehbehindert ist. Gegen ihren Willen wurde sie als 16-Jährige mit dem fast 30
Jahre älteren Felix Egbeme verheiratet. Er vergewaltigte und infizierte sie mit dem HI-Virus. Schwanger floh sie mit Hilfe ihrer Mutter und Patentanten aus der Ehe. Nach der Geburt ihres Sohnes Joshua absolvierte Choga eine dreijährige Ausbildung zur traditionellen Heilerin. Das bei ihrer Lehrerin Ezira im Regenwald erworbene Wissen half und hilft ihr, den Feind im eigenen Körper in Schach zu halten. Choga lebt heute wieder auf der von ihrer Mutter gegründeten Farm in der Nähe von Jeba
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