01 - Geheimagent Lennet wird ausgebildet
einzige Mitglied der Kommission, das Zivil trug. »Sie haben noch immer nichts?«
»Nein, Herr Major. Seit einem ganzen Jahr gehe ich nun schon mit Ihnen fischen, ohne etwas zu fangen!«
Die Offiziere lachten. Montferrand stimmte in das Gelächter ein.
»Ich hab's vorausgesehen", sagte er dann, »daß ich wieder leer ausgehen werde. Aber unter Bürschchen, die kaum hinter dem Ohr trocken sind, darf man eben keine FND-Agenten suchen.«
»Sie haben uns noch immer nicht genau erklärt, Montferrand, was der FND eigentlich ist", bemerkte der Oberst.
»Das ist recht kompliziert...«, antwortete der Zivilist ausweichend.
Die Offiziere warfen ihm einen halb spöttischen, halb beunruhigten Blick zu.
In diesem Augenblick rief der Marinebeauftragte: »Sie haben eine Karte!«
»Ich?« wunderte sich Montferrand. »Ausgeschlossen! Das muß ein Irrtum sein.«
Es war kein Irrtum. Die Karte war tatsächlich in die FND-Schublade gefallen und sie trug auch den Vermerk »FND". Die Maschine irrte sich nie.
»Wie heißt dieser seltene Vogel denn?« fragte der Oberst. Alle Offiziere mit Ausnahme des Infanteristen, der noch immer seine Rekruten zählte, hatten sich um Montferrand gruppiert, der die Karte jetzt in die Hand nahm.
»Lennet - ziemlich nichtssagender Name", sagte er. »Ich hätte Lust, diesen Lennet jemand anderem abzutreten.«
»Das werden Sie bestimmt nicht tun. Wir werden ihn uns unverzüglich vorknöpfen. Möchte gern wissen, wie er aussieht.«
Durch ein rot aufflammendes Licht signalisierte die Maschine, daß sie alle Karten ausgewertet hatte. Der Oberst läutete.
Der Feldwebel steckte den Kopf zur Tür herein. »Zu Befehl, Herr Oberst?«
»Bardot, wir begeben uns jetzt gleich in den Beratungssaal.
Bringen Sie den jungen Lennet dorthin.«
Feldwebel Bardot machte ein verdutztes und zugleich sorgenvolles Gesicht. »Lennet, Herr Oberst?«
»Ja, was bekümmert Sie denn dabei so?«
»Den hab ich eben eingelocht!«
»Ach? Und aus welchem Grund, wenn ich fragen darf?«
»Prügelei auf dem Kasernenhof.«
Der Oberst wandte sich an Montferrand. »Ihr Teufelslehrling zeigt bereits seine Talente. Scheint es schon während der ersten Ausleseprüfung so weit zu bringen, daß man in den Arrest kommt, dazu gehört allerhand. Ein harter Bursche!«
»Disziplinlosigkeit mag ich nicht", erwiderte Montferrand.
»Sie ist oft nur eine Form der Feigheit.«
»Bardot, sagen Sie, war Lennet in dieser Prüfung der unterlegene oder der überlegene Teil?«
»Der überlegene. Und wie - er hat den anderen fix und fertiggemacht!«
Montferrand seufzte. »Sie haben recht, Herr Oberst, sehen wir ihn uns an.«
Als Lennet den Beratungssaal betrat, erblickte er hinter dem mit grünem Tuch bedeckten Tisch etwa ein Dutzend Offiziere in den verschiedensten Uniformen der französischen Armee. Am hinteren Ende saß ein einziger Zivilist.
Die Offiziere andererseits sahen einen Jungen von eher kleinem Wuchs vor sich, in grünem Pullover und schwarzer Hose, mit feinen, aber ausgeprägten Zügen, die Stirn unter einer blonden Haarsträhne fast verborgen, die blauen Augen wachsam und auf der Hut. Er verbeugte sich ungezwungen, ohne ein Wort zu sprechen.
Die Offiziere blickten sich gegenseitig an. Montferrand stopfte gewissenhaft seine Pfeife. Ein drückendes Schweigen lag im Raum. Endlich erhob der Oberst seine Stimme.
»Setzen Sie sich, junger Mann", sagte er wohlwollend. »Wir haben Sie als ersten zu uns gebeten, weil die Maschine in Ihrem Fall eine recht ungewöhnliche Meinung abgegeben hat. Sie wissen doch, daß die Resultate sämtlicher Tests, denen Sie sich unterzogen haben, von einem Elektronengehirn analysiert werden?«
»Ja, Herr Oberst.« Seine Stimme war fest und hatte einen guten Klang, der Ton war höflich und zugleich distanziert.
»Herr Lennet, Ihre Akte liegt vor mir. Sie sind Vollwaise, wie ich sehe?«
»Meine Eltern kamen bei einem Flugzeugabsturz ums Leben.«
»Sie haben Ihre Schulausbildung mit dem Abitur abgeschlossen. Für welche Karriere haben Sie sich entschieden?«
»Ich weiß es nicht, Herr Oberst.«
»Sie wissen es nicht?«
Der Schatten eines schelmischen Lächelns huschte über das verschlossene Gesicht des Jungen. »Es gibt nicht sehr viele Berufe, die Spaß machen, Herr Oberst. Finden Sie nicht auch?«
Der Oberst blickte Montferrand an, der scheinbar uninteressiert an seiner Pfeife herumstopfte.
»Haben Sie Geschwister?« fragte der Marinekapitän. Lennet schüttelte den Kopf.
Der Fallschirmmajor
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