01 - komplett
Fortescue sagt, dass sie das hier immer machen. Lord Fortescue zündet an Weihnachten den großen Julklotz in der Halle an, danach fährt die ganze Familie zu Lady Fortescues Verwandten, die ein paar Meilen entfernt auf Deddington Manor leben, und verbringen dort den ganzen ersten Feiertag. Die Dienstboten haben am Abend dann einen richtigen Ball. Lord Fortescue stellt sogar Kellner ein, damit die Lakaien und der Butler auch mittun können. Und am Sechsundzwanzigsten geben die Fortescues einen Ball zu Ehren des heiligen Stefan, zu dem die ganze Nachbarschaft eingeladen ist.“
„Also, ich habe nichts Passendes dabei, und du hast kein zweitbestes Ballkleid, das ich mir ausleihen könnte.“ Einen winzigen Moment hatte Rowan sich vorgestellt, wie sie mit Lucas tanzte, und seine Miene, wenn er sie in ihrer Robe erblickte ...
„Aber deine Sachen befinden sich doch alle im Dorfgasthof, oder?“, versetzte Penny.
„Wo auch Alice und Kate untergebracht sind.“
„Aber natürlich!“ Rowan schob die letzte Haarnadel an Ort und Stelle. „Wie um alles in der Welt konnte ich das nur vergessen? Und ich mache mir hier schon größte Sorgen, wie ich den Rotweinfleck aus deinem weißen Organza herausbekomme, und dabei warten gleich um die Ecke unsere eigenen Zofen. Wie nachlässig von mir. Ich hoffe, sie fühlen sich dort wohl.“
„Nun, der Gasthof hat einen guten Eindruck gemacht, als wir sie mit unserem Gepäck dort abgesetzt haben“, meinte Penny und streifte einen schlichten Goldreif über ihre Hand. „Und Dorritt und die Kutsche sind auch dorthin zurück – er würde bestimmt sofort kommen und es uns wissen lassen, wenn dort nicht alles ehrbar wäre. Es wäre wirklich schön, wenn sie etwas gegen diesen Fleck unternehmen könnten.“
„Ich gehe morgen dorthin und nehme einen großen Korb mit. In dem kann ich auf dem Rückweg gleich etwas mitbringen, das ich auf dem Dienstbotenball anziehen könnte.“
„Dann brauchst du aber einen riesigen Korb“, meinte Penny und zwickte sich in die Wangen, um etwas Röte hineinzubekommen. „Du benötigst ein Kleid und Unterröcke, Seidenstrümpfe und Slipper, eine Stola und Haarschmuck und Juwelen ...“
„Nichts allzu Ausgefallenes – und keine Juwelen“, erklärte Rowan. „Das ist der Dienstbotenball, vergiss das nicht.“
„Du wirst ganz reizend aussehen, und dein Konstabler wird sich unsterblich in dich verlieben.“
„Mach darüber keine Witze“, versetzte Rowan, heftiger als beabsichtigt.
Penny blinzelte überrascht. „Entschuldige meinen Ton. Und jetzt denk dran, du musst heute Nachmittag so fade sein, wie du nur kannst. Wenn uns nichts einfällt, womit wir ihn schockieren können, können wir wenigstens versuchen, ihn so zu langweilen, dass er es sich anders überlegt.“
„Was zum Kuckuck hast du mit deinem Hut angestellt?“
Lucas warf einen Blick darauf. Er war ganz durchweicht, und die Krempe begann sich zu wellen. „Ich hab ihn ein paar Mal in eine Schneewehe geworfen.“
„Und wie sehen deine Hosen und deine Weste aus? Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, du bist auf einen Baum geklettert.“ Will griff nach der Kleiderbürste und machte sich über die Flechten und Rindenstückchen her, die an den Hosenbeinen seines Kammerdieners klebten.
„Genau das. Aua! Gib her.“ Er vollendete die Aufgabe selbst, wobei er sich durchaus bewusst war, dass er es tat, um den erstaunten, forschenden Blicken seines Freundes auszuweichen.
„Warum?“, fragte Will nicht ganz ohne Grund. Er widmete sich wieder seiner Nagelpflege und wirkte dabei so entspannt, wie man es nur nach einem tugendhaften Kirchgang und dem Genuss einer einschläfernden Predigt sein konnte.
„Um Misteln zu pflücken.“
„Die braucht man nicht zu pflücken. Man führt die junge Dame einfach darunter.“
„Fällt mir doch nicht ein, mich im Obstgarten jedes Mal halb zu Tode zu frieren, wenn ich jemanden küssen will.“
„Mit deiner Abreise wirst du die gesamte weibliche Dienerschaft in blinde Verzweiflung stürzen“, bemerkte sein Freund.
„Nur Miss Daisy. Und ich kann mir kaum vorstellen, dass sie je wegen irgendetwas in blinde Verzweiflung verfällt. Dazu ist sie viel zu energisch.“
„Du solltest das nicht tun, weißt du“, tadelte Will. „Es sieht dir auch gar nicht ähnlich
– ernsthaft mit einer Bediensteten zu flirten.“
„Die hier ist anders. Sie ist im Haushalt eines Gentleman aufgewachsen – eine uneheliche Tochter, könnte ich mir
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