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01 - Neptun kann warten

Titel: 01 - Neptun kann warten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jeffrey A. C arver
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war dieser Planet eine Lady, verführerisch in ihrem blauen Kleid, und sie winkte ihn zu sich. Als er durch sein verkratztes Visier zu ihr aufschaute, schoss ihm wieder durch den Kopf, wie viel realer sie wirkte, wenn man sie mit eigenen Augen vor sich sah und nicht nur in den Holo-Telesendungen – viel realer, und doch zugleich viel unerreichbarer. Er hatte seinen Restlichtverstärker abgeschaltet, sodass die Planetenlady düster wirkte, geisterhaft, fast blass vor dem dunklen Himmel. Die Sonne, die noch nicht ganz über ihm stand, war nur wenig mehr als ein heller Punkt, wenn man sie von hier, dem Rand des Sonnensystems, betrachtete.
    Die Oberfläche Tritons war gräulich orangebraun, ein gefrorenes Gemisch aus Stickstoff, Methan und verschiedenen Oxiden, und wurde vom blassen Sonnenlicht kaum erhellt. Dieser Neptun-Mond war zerklüftet und geborsten, der Zahn der Zeit hatte an ihm genagt, Meteoriteneinschläge hatten ihn geformt, und die Schwerkraft trug das ihre zum Gesamtbild bei. Es war unmöglich, über die Oberfläche Tritons zu blicken, ohne sich zu fragen, was sich hier in der Vergangenheit abgespielt haben mochte, welche Art von Lebewesen dereinst, vor Äonen, auf diesem Mond gewandelt sein mochten. Natürlich hatte es hier einst andere Lebewesen gegeben, deswegen hatte die Menschheit ja jetzt hier ihre Schürfstationen errichtet. Aber wer oder was diese anderen Lebewesen gewesen waren, blieb nach wie vor der Spekulation überlassen … und der Fantasie.
    John Bandicuts Fantasie überschlug sich inzwischen; erneut stieß er den Steuerknüppel nach vorne, und das Fahrzeug ruckte ob des Energieschubs. In einem unabhängigen Teil seines Gehirns begriff er, dass er dem Höhepunkt seiner Fugue nahe war; Trugbilder von außerirdischen Lebewesen tanzten ihm vor den Augen, gerade noch außer Reichweite, ihre Stimmen schwach und unverständlich, obwohl sie versuchten, mit ihm zu kommunizieren und trotz des fehlenden NeuroLinks diese undurchdringliche Grenzen zu überqueren. Natürlich war das aussichtslos; er war von Stille umgeben, für immer vom Daten-Netz abgeschnitten.
    Der Buggy erklomm eine kleine Anhöhe und schoss über ein zerfurchtes Plateau, bevor er wieder auf ein niedriges, flaches Tal zuhielt. Bandicut drosselte die Energiezufuhr und ließ das Fahrzeug im Leerlauf den überfrorenen Hang hinunterrollen, und das Gefühl, diese Fahrt auch körperlich zu spüren, verschaffte ihm fast ein wenig Erleichterung. Zu seiner Linken stieg eine dünne, dunkle Rauchfahne auf. Das war ein Kryo-Geysir, dunkle Eisschwaden, die durch die Mondoberfläche brachen und dann von den schwachen Triton-Winden davongetragen wurden. Bandicut ertappte sich dabei, wie er die Eruption anstarrte; für ihn war sie eine Explosion fremdartiger Daten, die von den Winden verweht wurden, bevor sie alle ins Netz aufgenommen werden konnten. Wahnsinn: Er wusste, all das war Wahnsinn, doch er konnte es nicht verhindern. Der fremdartige Datensturm in seinem Hirn glich atmosphärischem Rauschen und war unauswertbar.
    Das Fahrzeug unter ihm schlingerte, und ihm wurde fast übel, dann hatte er das Gefühl zu schweben und spürte schließlich einen dumpfen Stoß, der sich bis in sein Steißbein fortsetzte. Er blinzelte hektisch und schaltete die Energiezufuhr ab. Zu spät. Sein Buggy schlingerte, weil sich das Eis unter ihm verschoben hatte, und Bandicut begriff, dass er bereits gefangen war: Er spürte, dass ein Rad oder sogar mehrere Räder in eine Doline geraten waren und sich nun immer weiter eingruben. Das ganze Chassis seines Gefährts erzitterte, während es immer weiter in dem kieselartigen Eis versank. Hastig schaltete Bandicut in den Rückwärtsgang, und die beiden rechten Räder wirbelten nutzlos schneeartigen Staub auf, während die beiden linken Halt fanden und so dafür sorgten, dass der Wagen sich auf der Stelle drehte. Die rechte Fahrzeughälfte grub sich immer tiefer ein.
    Verdammt Verdammt Verdammt … Ihm schwindelte in dieser Leere. Bandicut schaltete immer wieder zwischen Vorwärts- und Rückwärtsgang hin und her, in der Hoffnung, die wenig ausgeprägte Schwerkraft Tritons wäre hoch genug, damit der Buggy sich losreißen könnte. Doch es war aussichtslos: Ein Dreizehntel g Schwerkraft bedeutete eben auch jämmerliche Bodenhaftung. Noch mehr Wahnsinn: Wie konnte es mitten in dieser gefrorenen Einöde eine Doline geben, in die man einsinken konnte?
    Er fluchte in die Leere, schaltete den Motor ab und löste den

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