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01 - Nicht ohne meine Tochter

01 - Nicht ohne meine Tochter

Titel: 01 - Nicht ohne meine Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Betty Mahmoody
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und die farbenfrohen Gesellschaftsmodelle überzustreifen, ohne das kleinste bisschen verbotene Gesichtshaut zu zeigen.
    Die Besuche waren ganz dem Reden und Essen gewidmet. Auch während ihrer Gespräche machten die Männer endlose Andachtsübungen. Jeder hatte einen Perlenstrang in der Hand - Gebetsperlen aus Plastik, Glas oder Edelstein - und zählte damit unablässig dreiunddreißig Wiederholungen von Allahu akbar, »Allah ist groß«, ab.
    Wenn die Gäste morgens kamen, begannen sie gegen Mittag mit der langwierigen Abschiedszeremonie. Wieder in ihren Straßenkleidern, küssten sie sich zum Abschied, machten ein paar Schritte in Richtung Tür, schwatzten weiter, küssten sich wieder und machten noch ein paar Schritte, redeten, schrien, umarmten sich - noch eine halbe bis dreiviertel oder sogar eine ganze Stunde lang. Keiner schien sich je um die Einhaltung eines Zeitplans Sorgen zu machen. Sie schafften es jedoch immer, vor dem frühen Nachmittag zu gehen, denn jene Stunden waren für einen Mittagsschlaf reserviert, der wegen der Hitze und des anstrengenden Gebetsplans erforderlich war.
    Wenn Besucher zum Abendessen kamen, blieben sie bis spät in die Nacht hinein, denn wir warteten immer mit dem Essen, bis Baba Hadschi von der Arbeit kam - das geschah nie vor zehn Uhr - und sich einem Raum voller Männer in Pyjamas und in Tschadors gehüllter Frauen zur Abendmahlzeit zugesellte.
    Normalerweise scherte ich mich nicht darum, dass ich meinen Kopf innerhalb des Hauses bedeckt halten sollte, aber einige der Besucher waren anscheinend frommer als andere. Gelegentlich war ich gezwungen, mich zu verhüllen.
    Eines Abends, als unerwartet Gäste kamen, lief Ameh Bozorg in unser Schlafzimmer, warf mir einen schwarzen Tschador hin und bellte Moody etwas zu. »Zieh ihn schnell über!«, befahl Moody. »Wir haben Gäste. Es ist ein Turbanmann dabei.« Ein Turbanmann ist der Leiter einer Masdsched - einer Moschee. Er entspricht einem christlichen Priester oder Pastor. Weil er stets ein Aba, eine capeförmige Robe, und die Kopfbedeckung, die ihm seinen Beinamen eingebracht hat, trägt, ist ein Turbanmann leicht von anderen Iranern zu unterscheiden, die entweder einfach einen Anzug oder einen Trenchcoat und keine Kopfbedeckung tragen. Ein Turbanmann ist eine hohe Respektsperson.
    Daher hatte ich keine Möglichkeit, mich Moodys Befehl zu widersetzen, aber als ich den hinderlichen Tschador überzog, merkte ich, dass er verdreckt war. Der Schleier, der den unteren Teil des Gesichts bedeckt, war mit getrocknetem Speichel verschmiert. Ich hatte im ganzen Haushalt noch keine Stoff- oder Papiertaschentücher gesehen. Was ich gesehen hatte, war, dass die Frauen stattdessen diese Schleier benutzten. Der Geruch war widerlich.
    Der Turbanmann war Aga Maraschi. Seine Frau war Baba Hadschis Schwester. Auch mit Moody war er entfernt verwandt. Auf einen handgeschnitzten Stock gestützt, wackelte er unsicher in die Halle; seine über drei Zentner waren eine schwere Last. Er ließ sich langsam zu Boden sinken und stöhnte vor Anstrengung. Da er nicht wie alle anderen im Schneidersitz sitzen konnte, streckte er seine riesigen Beine V-förmig aus und machte die Schultern krumm. Unter seiner schwarzen Kleidung rieb sich sein Bauch auf dem Boden. Zoreh brachte schnell ein Tablett mit Zigaretten für den Ehrengast herbei.
    »Bring mir Tee.«, befahl er barsch und zündete jeweils an der Kippe gleich eine neue Zigarette an. Er hustete und schnaufte geräuschvoll und dachte nicht daran, die Hand vor den Mund zu halten. Der Tee wurde augenblicklich serviert. Aga Maraschi schaufelte sich einen gehäuften Teelöffel Zucker in sein Estekan, zog an seiner Zigarette, hustete und nahm noch einen zweiten Löffel Zucker in seinen Tee. »Ich werde dein Patient.«, sagte er zu Moody. »Ich muss meine Diabetes behandeln lassen.«
    Ich konnte nicht entscheiden, was mich mehr abstieß, der verschleimte Tschador, den ich fest vor mein Gesicht hielt, oder der Turbanmann, zu dessen Ehre ich ihn tragen musste. Ich stand den Besuch still im Sitzen durch und versuchte, mich nicht zu übergeben. Als die Gäste gegangen waren, warf ich den Tschador ab und sagte Moody, wie entsetzt ich über den unhygienischen Zustand sei. »Diese Frauen nehmen ihn zum Naseputzen«, beschwerte ich mich. »Das stimmt nicht«, entgegnete er. »Du lügst.« »Schau her.« Erst als er den Schleier selbst untersucht hatte, gab er zu, dass ich die Wahrheit sagte. Ich fragte mich, was

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