01 - Nicht ohne meine Tochter
amerikanischen Lebens. Wir konnten ihn ertragen, aber er musste uns nicht gefallen. Von diesem Moment an begannen wir, die Tage zu zählen, bis wir wieder nach Hause fliegen konnten.
Die Mahlzeit zog sich hin. Während die Erwachsenen weiter Essen in sich hineinschaufelten, wurden die Kinder unruhig. Sie fingen an, sich zu zanken, bewarfen sich gegenseitig mit Essensresten und rannten kreuz und quer über die Sofres, wobei ihre schmutzigen nackten Füße manchmal in den Schüsseln landeten. Dabei kreischten sie in den höchsten Tönen. Mir fiel auf, dass einige Kinder Geburtsfehler hatten oder an unterschiedlichen Missbildungen litten. Andere hatten einen seltsam leeren Gesichtsausdruck. Ich fragte mich, ob das, was ich hier sah, die Folgen von Inzucht waren. Moody hatte versucht, mir zu erklären, dass das im Iran keine gesundheitsschädlichen Auswirkungen hatte, aber ich wusste, dass viele der Paare in diesem Raum miteinander verheiratete Cousins und Cousinen waren.
Nach einiger Zeit stellte Reza, der fünfte Sohn von Baba Hadschi und Ameh Bozorg, mich seiner Frau Essey vor. Ich kannte Reza gut. Er hatte einige Zeit bei uns in Corpus Christi, Texas, gewohnt. Obwohl seine Anwesenheit dort für mich eine Last gewesen war, sodass ich schließlich, was für mich sehr untypisch ist, Moody ein Ultimatum gestellt hatte, um Reza aus dem Haus zu bekommen, war er hier unter diesen Umständen ein erfreulicher Anblick für mich und einer der wenigen, die Englisch mit mir sprachen. Essey hatte in England studiert und sprach auch passables Englisch. Sie wiegte einen Säugling in ihren Armen.
»Reza spricht viel von dir und Moody.«, sagte Essey. »Er ist so dankbar für alles, was ihr für ihn getan habt.« Ich fragte Essey nach ihrem Baby, und ihr Gesicht wurde ernster. Mehdi war mit missgebildeten, nach hinten gedrehten Füßen geboren worden. Auch sein Kopf war missgebildet, die Stirn war zu groß für sein Gesicht. Ich wusste, dass Essey sowohl Rezas Cousine wie auch seine Frau war. Wir sprachen nur ein paar Minuten, bevor Reza sie mit auf die andere Seite des Raumes nahm.
Mahtab schlug erfolglos nach einem Moskito, der einen dicken roten Fleck auf ihrer Stirn hinterlassen hatte. Die Hitze dieses August-Abends war zu viel für uns. Wie ich gehofft hatte, war das Haus zwar mit einer Klimaanlage ausgestattet, die auch eingeschaltet war, aber aus irgendeinem Grunde hatte Ameh Bozorg weder die Türen, die keinen Fhegendraht hatten, noch die Fenster geschlossen - eine offene Einladung für die Hitze und die Moskitos.
Ich konnte sehen, dass Mahtab sich genauso unwohl fühlte wie ich. Jemandem aus dem Westen erscheint eine normale iranische Unterhaltung wie eine erhitzte Diskussion mit schrillem Geschnatter und ausladenden Gesten, alles unterstrichen mit Insch Allah. Der Lärmpegel ist verblüffend. Ich bekam Kopfschmerzen. Der Geruch des fetten Essens, der Gestank der Menschen, das endlose Plappern unzähliger Zungen und die Auswirkungen der Zeitverschiebung verlangten ihren Tribut.
»Mahtab und ich wollen ins Bett gehen.«, sagte ich zu meinem Mann. Es war früh am Abend, und die meisten Verwandten waren noch da, aber Moody wusste, dass sie mit ihm reden wollten und nicht mit mir. »Gut.«, sagte er. »Ich habe entsetzliche Kopfschmerzen.«, sagte ich. »Hast du etwas dagegen?« Moody entschuldigte sich für einen Moment, brachte Mahtab und mich in unser Schlafzimmer und fand ein verschreibungspflichtiges Schmerzmittel, das die Zollbeamten übersehen hatten. Er gab mir drei Tabletten und ging zurück zu seiner Familie. Mahtab und ich kletterten ins Bett, so müde, dass die durchgelegenen Matratzen, die muffigen Laken und die kratzenden Kissen den Schlaf nicht mehr aufhalten konnten. Ich wusste, Mahtab würde mit dem gleichen Gebet einschlummern, das ich in meinem schmerzenden Kopf hatte: Lieber Gott, bitte lass diese zwei Wochen schnell vorübergehen.
Es war ungefähr vier Uhr am nächsten Morgen, als Baba Hadschi an die Tür unseres Schlafzimmers trommelte. Er rief etwas in Farsi. Draußen tönte die Stimme eines Azan über einen Lautsprecher. Mit einem traurigen, langgezogenen Heulton rief er die Gläubigen zu ihren religiösen Pflichten. »Zeit zum Beten«, murmelte Moody. Er räkelte sich gähnend und ging ins Bad, wo er sich einer rituellen Waschung unterzog. Dazu bespritzte er beide Unterarme, Stirn und Nase sowie die Oberseiten seiner Füße mit Wasser.
Mein Körper schmerzte nach der Nacht in der
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