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01 - Winnetou I

01 - Winnetou I

Titel: 01 - Winnetou I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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fressen!“
    Diese letztere Drohung war eine große Unvorsichtigkeit, ja geradezu eine Dummheit von ihm, denn sie machte mich aufmerksam auf die Art und Weise, in welcher er seine Waffe gebrauchen wollte. Meine Eingeweide! Also wahrscheinlich nicht einen Stich ins Herz, sondern ein Hieb, ein Messerstreich von unten herauf, um mir den Leib aufzuschlitzen!
    Wir standen so weit auseinander, daß man sich nur wenig vorzubeugen brauchte, um den Gegner mit dem Messer zu erreichen. Er bohrte seinen Blick in mein Auge. Sein rechter Arm hing grad herab; er hielt das Messer so, daß das Heftende am kleinen Finger lag und die Klinge vorn zwischen dem Daumen und dem Zeigefinger hervorragte; diese Klinge war mit der Schärfe, der Schneide nach oben gerichtet. Er wollte also wirklich, wie ich vermutet hatte, einen Streich von unten nach oben führen, denn wer von oben nach unten stößt, der hält das Messer grad umgedreht, nämlich so, daß das Heftende beim Daumen liegt und die Klinge am kleinen Finger aus der Faust hervorragt.
    Also die Richtung seines Angriffs kannte ich; nun war die Hauptsache die Zeit desselben; die mußte mir das Auge sagen. Ich kannte das eigentümliche, blitzartige Zucken, welches in jedem solchen Fall einen Moment vorher im Auge zu bemerken ist. Ich senkte die Lider, um ihn sicher zu machen, beobachtete ihn aber um so schärfer durch die Wimpern.
    „Stich zu, Hund!“ forderte er mich auf.
    „Sprich nicht abermals, sondern handle, roter Knabe!“ antwortete ich.
    Das war eine große Beleidigung, auf welche entweder eine zornige Antwort oder der Angriff erfolgen mußte; es war das letztere der Fall. Eine blitzartige Erweiterung seiner Pupille verkündete es mir, und im nächsten Augenblick stieß er den rechten Arm mit dem Messer kraftvoll vor und nach oben, um mir den Leib aufzuschlitzen. Hätte ich einen Messerstoß von oben herab erwartet, so wäre es um mich geschehen gewesen; so aber parierte ich seinen Schritt, indem ich ihm meine Klinge gedankenschnell abwärts in den Vorderarm stieß und ihm denselben aufschlitzte.
    „Hund, räudiger!“ brüllte er, indem er den Arm zurückzog und vor Schreck und Schmerz das Messer fallen ließ.
    „Nicht sprechen, sondern kämpfen!“ antwortete ich abermals, meinen Arm emporwerfend, und dann – – – saß ihm meine Klinge bis an das Heft im Herzen. Ich zog sie augenblicklich wieder heraus. Der Stich saß so gut, daß ein fingerstarker, roter, warmer Blutstrahl auf mich spritzte. Der Riese wankte nur einmal hin und her, wollte schreien, brachte aber bloß einen ächzenden Seufzer hervor und stürzte dann tot zu Boden.
    Die Indianer erhoben ein wütendes Geheul; nur einer von ihnen stimmte nicht ein, nämlich Tangua, der Häuptling. Er kam herbei, bückte sich zu meinem Gegner nieder, betastete die Ränder der Stichwunde, richtete sich wieder auf und betrachtete mich mit einem Blick, den ich lange nicht vergessen konnte. Es lag in demselben ein Gemisch von Wut, Entsetzen, Furcht, Bewunderung und Anerkennung. Dann wollte er sich wortlos entfernen. Da sagte ich:
    „Siehst du, daß ich noch auf meinem Platz stehe? Metan-akva aber hat den seinigen verlassen und liegt außerhalb der Figur, wer hat gesiegt?“
    „Du!“ antwortete er wütend und ging fort; aber er hatte vielleicht erst fünf oder sechs Schritte getan, so kehrte er wieder um und zischte mir zu: „Du bist ein weißer Sohn des bösen, schwarzen Geistes. Unser Medizinmann soll dir den Zauber nehmen, und dann wirst du uns dein Leben geben müssen!“
    „Tu mit deinem Medizinmann, was dir beliebt, aber halte nun dein Wort, welches du uns gegeben hast!“
    „Welches Wort?“ fragte er höhnisch.
    „Daß die Apachen nicht getötet werden.“
    „Wir werden sie nicht töten; ich habe es gesagt und halte es.“
    „Und sie werden frei sein?“
    „Ja, sie sollen ihre Freiheit wieder haben. Was Tangua, der Häuptling der Kiowas, sagt, das geht stets in Erfüllung.“
    „So werde ich jetzt mit meinen Freunden gehen, um den Gefangenen die Fesseln abzunehmen.“
    „Das tue ich selbst, sobald die Zeit gekommen ist.“
    „Sie ist gekommen; sie ist da, denn ich habe gesiegt.“
    „Schweig! Haben wir vorhin über die Zeit gesprochen?“
    „Sie wurde nicht besonders erwähnt; aber es versteht sich doch ganz von selbst, daß – – –“
    „Schweig!“ donnerte er mich abermals an. „Die Zeit habe ich zu bestimmen. Wir werden die Hunde der Apachen nicht töten; aber was können wir dafür, daß

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