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01 - Winnetou I

01 - Winnetou I

Titel: 01 - Winnetou I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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konnte mir wohl denken, daß er irgendeinen Hintergedanken dabei hegte. Wahrscheinlich hielt er mich für den gefährlichsten unter den anwesenden Weißen und wollte mich unschädlich machen; denn es verstand sich ganz von selbst, daß seine Wahl nur auf einen Meister im Messerfechten fallen würde. Dennoch antwortete ich, ohne mich lange zu besinnen:
    „Ich bin einverstanden. Wir werden die Bedingungen vereinbaren und die Pfeife des Schwures darüber rauchen; dann kann der Kampf sogleich beginnen.“
    „Was fällt Euch ein!“ rief da Sam Hawkens aus. „Ich kann unmöglich zugeben, daß Ihr die Dummheit begeht, auf diesen Kampf einzugehen, Sir!“
    „Es ist keine Dummheit, lieber Sam.“
    „Die größte, welche es geben kann. Bei einem gerechten und ehrlichen Kampf müssen die Chancen gleich stehen; dies ist aber hier nicht der Fall.“
    „O doch!“
    „Nein, ganz und gar nicht. Habt Ihr denn einmal mit irgendeinem Menschen mit dem Messer auf Leben und Tod gekämpft?“
    „Nein.“
    „Da habt Ihr es! Ihr werdet natürlich einen Gegner bekommen, welcher virtuos im Stechen ist. Und bedenkt die verschiedenen Folgen des Sieges! Werdet Ihr erstochen, so sterben die Apachen auch. Wird aber Euer Gegner erstochen, wer stirbt dann? Kein Mensch!“
    „Aber die Apachen erhalten ihr Leben und die Freiheit dazu.“
    „Glaubt Ihr das wirklich?“
    „Ja, denn es wird mit dem Calumet beraucht, was als Schwur gilt.“
    „Der Teufel traue einem Schwur, bei welchem hundert Hintergedanken zu vermuten sind! Und selbst dann, wenn er ehrlich gemeint ist, seid Ihr ein Greenhorn und – – –“
    „Seid still mit Eurem Greenhorn, lieber Sam!“ fiel ich ihm in die Rede. „Ihr habt es ja wiederholt erlebt, daß dieses Greenhorn stets weiß, was es tut.“
    Er widersprach trotzdem noch längere Zeit; auch Dick Stone und Will Parker rieten mir ab; ich blieb aber meinem Entschluß treu, und so rief Sam endlich unmutig aus:
    „Nun gut, rennt mit Eurem Dickkopf meinetwegen durch zehn oder zwanzig Mauern; ich habe nichts mehr dagegen! Aber ich werde aufpassen, daß bei dem Kampf alles ehrlich zugeht, und wehe dem, der Euch oder überhaupt betrügen will! Ich schieße ihn mit meiner Liddy in die Luft, daß er in tausend und abertausend Stücke droben in den Wolken hängen bleibt, wenn ich mich nicht irre!“
    Nun wurde folgendes vereinbart: Es sollte auf einer graslosen Stelle, welche in der Nähe lag, im Sand eine Acht (also 8) gebildet werden, die Zahl, welche aus zwei Schlingen oder Nullen besteht. Jeder der beiden Gegner sollte sich in eine dieser Nullen stellen, aus welcher er während des Kampfes nicht treten durfte. Schonung sollte es nicht geben; einer von beiden mußte sterben, doch durfte der Tote nicht von seinen Angehörigen an dem Sieger gerächt werden. Die übrigen Bedingungen und die Folgen des Sieges waren schon festgestellt worden.
    Als wir uns hierüber geeinigt hatten, wurden dem Häuptling die Fesseln abgenommen, und ich rauchte das Calumet mit ihm. Dann ließen wir auch die beiden andern Gebundenen frei, und die vier Roten begaben sich zu ihren Kriegern, um sie von dem zu erwartenden Schauspiel zu benachrichtigen.
    Der Oberingenieur und die andern Surveyors machten mir Vorwürfe; ich achtete nicht auf ihre Reden. Auch Sam, Dick und Will waren nicht mit mir einverstanden, doch zankten sie wenigstens nicht mit mir. Hawkens meinte in besorgtem Ton:
    „Hättet etwas Besseres tun können, als auf diese Teufelei eingehen, Sir! Aber ich habe es immer gesagt und sage es jetzt wieder: Ihr seid ein leichtsinniger Mensch, ein außerordentlich leichtsinniger Mensch! Was habt Ihr denn eigentlich davon, wenn Ihr erstochen werdet, heh? Sagt mir das doch einmal!“
    „Was ich davon habe? Den Tod natürlich, weiter nichts.“
    „Weiter nichts? Hört, macht ja nicht auch noch schlechte Witze dazu! Der Tod ist alles, was einem widerfahren kann, denn wenn man gestorben ist, kann einem nichts mehr widerfahren.“
    „O doch!“
    „So? Was denn zum Beispiel?“
    „Man kann begraben werden.“
    „Haltet den Schnabel, edler Sir! Wenn Ihr weiter nichts wißt, als mich zu aller Kränkung auch noch zu ärgern, so wollte ich, ich hätte meine Liebe an ein würdigeres Subjekt verschwendet.“
    „Kränkt Ihr Euch denn wirklich, lieber Sam?“
    „Natürlich kränke ich mich. Fragt doch nicht so dumm! Es ist ja fast sicher, daß Ihr ausgelöscht werdet, vollständig ausgelöscht. Was tue ich dann auf meine alten Tage auf dieser

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