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01 - Winnetou I

01 - Winnetou I

Titel: 01 - Winnetou I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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sie gerichtet waren. Da ich den Anzug trug, welchen ich geschenkt bekommen hatte, so waren wir drei beinahe gleich gekleidet.
    Ich mochte, als das Fauchen sich hören ließ, ein nicht grad feierliches Gesicht machen, denn Winnetou sagte.
    „Mein Bruder kennt diesen unsern Gebrauch noch nicht: er wird im stillen über uns lachen.“
    „Mir ist kein religiöser Gebrauch, und wenn ich ihn noch so wenig verstehen und begreifen kann, lächerlich“, antwortete ich.
    „Das ist das richtige Wort: religiös. Was du hier sehen und hören wirst, ist keine heidnische Mummerei, sondern jede Bewegung und jeder Laut des Medizinmannes hat eine Bedeutung. Das, was du jetzt vernimmst, sind die gegeneinander streitenden Stimmen des guten und des bösen Geschickes.“
    In dieser Weise erklärte er mir auch den ferneren Verlauf des Medizintanzes.
    Auf das Fauchen folgte ein immer wiederkehrendes Geheul, welches mit sanfteren Tönen abwechselte. Das Geheul ertönte in den Augenblicken, wenn der in die Zukunft forschende Medizinmann böse Anzeichen wahrnahm, und die zarteren Laute dann, wenn er Gutes voraussah. Als dies längere Zeit gedauert hatte, kam er plötzlich aus dem Wagen gesprungen und rannte wie ein Wütender und brüllend im Kreis herum. Nach und nach verlangsamten sich seine Schritte; das Brüllen hörte auf; die so gut ‚gemimte’ Angst, welche ihn herumgetrieben hatte, legte sich, und er begann einen langsamen, grotesken Tanz, welcher um so seltsamer war als er sich das Gesicht mit einer schrecklich aussehenden Maske bedeckt und den Körper mit allerlei wunderlichen, teils auch ungeheuerlichen Gegenständen behangen hatte. Diesen Tanz begleitete er mit einem eintönigen Gesang. Beide, Gesang und Tanz, waren erst bewegter, wurden nach und nach immer ruhiger, bis sie aufhörten und der Medizinmann sich niedersetzte, um, den Kopf zwischen den Knien niederbeugend, eine ganze, lange Weile laut- und bewegungslos zu verharren, bis er plötzlich aufsprang und das Resultat seiner Seherschaft in den laut gerufenen Worten verkündete:
    „Hört, hört, ihr Söhne und Töchter der Apachen! Das ist es, was Manitou, der große, gute Geist, mich erforschen ließ. Intschu tschuna und Winnetou, die Häuptlinge der Apachen, und Old Shatterhand, der unser weißer Häuptling ist, reiten mit ihren roten und weißen Kriegern fort, um Nscho-tschi, die junge Tochter unseres Stammes, nach den Wohnplätzen der Bleichgesichter zu begleiten. Der gute Manitou ist bereit, sie zu beschützen. Sie werden einige Abenteuer erleben, ohne Schaden davon zu haben, und glücklich zu uns zurückkehren. Auch Nscho-tschi, welche längere Zeit bei den Bleichgesichtern bleibt, kommt glücklich wieder, und nur einer von ihnen ist es, den wir nicht wiedersehen werden.“
    Er hielt inne und senkte den Kopf tief herab, um seiner Trauer über diese letztere Tatsache Ausdruck zu geben.
    „Uff, uff, uff!“ riefen die Roten neugierig und bedauernd aus; aber keiner wagte es, zu fragen, wen er meine.
    Da der Medizinmann längere Zeit in seiner gebückten Haltung und seinem Schweigen verharrte, so ging meinem kleinen Sam Hawkens die Geduld aus, und er fragte:
    „Wer ist es denn, der nicht zurückkehren wird? Der Mann der Medizin mag es doch sagen!“
    Der Angerufene machte eine verweisende Armbewegung, wartete nun grad noch lange Zeit, erhob dann seinen Kopf, richtete die Augen auf mich und rief:
    „Es wäre besser, wenn nicht danach gefragt worden wäre: Ich wollte ihn nicht nennen; nun aber hat Sam Hawkens, das neugierige Bleichgesicht, mich gezwungen, es zu sagen. Old Shatterhand ist es, der nicht wiederkommen wird. Der Tod trifft ihn in kurzer Zeit. Die, denen ich eine glückliche Heimkehr verkündet habe, mögen sich vor seiner Nähe hüten, wenn sie nicht ihr Leben mit dem seinen lassen wollen! Sie befinden sich bei ihm in Gefahr, von ihm entfernt aber stets in Sicherheit. Das sagt der große Geist, Howgh!“
    Nach diesen Worten kehrte er in den Wagen zurück. Die Roten ließen, scheue Blicke auf mich richtend, Ausdrücke des Bedauerns hören. Ich galt ihnen von jetzt an als ein verfemter Mann, den man zu meiden hatte.
    „Was ist diesem Kerl denn eingefallen?“ meinte Sam zu mir. „Ihr sollt sterben? Fällt außer diesem Schafskopf keinem anderen Menschen ein! Diese Idee ist natürlich seinem schwindsüchtigen Gehirn entsprungen. Wie mag er doch auf sie gekommen sein?“
    „Fragt lieber, welche Absicht er dabei verfolgt. Er will mir nicht wohl. Kein

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