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01 - Winnetou I

01 - Winnetou I

Titel: 01 - Winnetou I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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Kiowas kommen, uns jetzt zu überfallen.“
    „Ist das Euer Ernst, Sir?“
    „Ja. Ich habe sie belauscht. Sie wollen uns jetzt hier auslöschen und dann morgen früh Winnetou angreifen. Sie kennen unsern Plan. Darum schnell fort von hier!“
    „Wohin?“
    „Mitten durch den dunklen Wald? Das wird Kopfstöße und Beulen geben.“
    „Nehmt die Augen in die Hände! Also fort!“
    Ein Gang des Nachts durch den weglosen Urwald ist freilich für die Schönheit des menschlichen Angesichts eine höchst gefährliche Sache, weil sie anstößig in des Wortes eigenster Bedeutung ist. Wir mußten, meiner Aufforderung gemäß, die ‚Augen in die Hände nehmen’, das heißt, uns weit mehr auf den Tastsinn als auf das Gesicht verlassen. Zwei tasteten mit ihren Händen voran, und die andern folgten ihnen in der Weise, daß sich der Hintermann immer an dem Vordermann anhielt. Es währte auf diese Weise über eine Stunde, bis wir den Wald hinter uns hatten; das Schwerste dabei war, die Richtung einzuhalten. Als wir uns dann im Freien befanden, ging es besser und schneller. Wir gingen um den Berg herum und auf die Schlucht zu, an deren Ausgang Winnetou lagerte.
    Dieser hatte, wenigstens von der Seite aus, von welcher wir kamen, nichts Feindseliges zu erwarten, aber doch einen Posten ausgestellt, welcher uns mit lauter Stimme anrief. Ich antwortete ebenso laut; die Apachen erkannten diese Stimme und sprangen von der Erde auf.
    „Mein Bruder Old Shatterhand kommt?“ fragte Winnetou im Ton der Befremdung. „Da muß etwas geschehen sein. Wir haben vergeblich auf die Kiowas gewartet.“
    „Sie wollen erst morgen früh kommen, doch nicht nur durch die Schlucht, sondern auch von dieser Seite, um euch zu vernichten.“
    „Uff! Um dies zu beschließen, müßten sie erst dich besiegt haben und überhaupt wissen, was wir zu tun beabsichtigen.“
    „Sie wissen es.“
    „Unmöglich!“
    „Sie wissen es wirklich. Santer ist oben bei den Gräbern gewesen und hat alles gehört, was du mir sagtest, als wir allein waren.“
    Ich konnte das Gesicht Winnetous nicht erkennen, aber er antwortete mir nicht. Dieses momentane Schweigen verriet mir die Größe seines Erstaunens. Dann setzte er sich wieder nieder, forderte mich auf, neben ihm Platz zu nehmen, und sagte:
    „Wenn du das weißt, muß du ihn ebenso belauscht haben wie er uns.“
    „Allerdings.“
    „So sind unsere Berechnungen zunichte. Erzähle, was geschehen ist!“
    Ich folgte dieser Aufforderung. Die Apachen drängten sich heran, um sich kein Wort entgehen zu lassen. Zuweilen wurde meine Rede durch ein erstauntes „Uff“ unterbrochen; Winnetou aber schwieg, bis ich zu Ende war; dann fragte er:
    „Mein Bruder Shatterhand hielt es unter diesen Umständen für das Allerbeste, seinen Posten aufzugeben?“
    „Ja. Ich hätte allerdings noch zweierlei tun können, entweder das eine oder das andere, aber keins von beiden hätte mit der Sicherheit, die ich für notwendig hielt, zum Ziel geführt.“
    „Was hätte dies sein können?“
    „Erstens hätten wir, um nicht überfallen zu werden, uns nur eine Strecke zurückziehen und dann den Morgen abwarten können, anstatt uns ganz bis hierher zu entfernen.“
    „Das wäre falsch gewesen, denn am Morgen hättet ihr über fünfzig Feinde gegen euch gehabt, und unser Plan wäre doch vereitelt gewesen. Was ist das zweite?“
    „Wir hätten auf unserem Posten bleiben können. Als mir dieser Gedanke kam, hätte ich ihn gar zu gern ausgeführt. Santer wollte die Kiowas zu uns führen; er schlich ihnen also voran und mußte der erste sein, der bei uns ankam. Wenn ich scharf aufpaßte, mußte ich ihn kommen hören, konnte ihn durch einen Faustschlag betäuben und mich dann mit ihm davonmachen.“
    „Mein Bruder ist ein kühner Krieger, aber eine solcher Verwegenheit wäre im gewiß verderblich geworden. Mit Santer auf den Armen hättest du dich nicht schnell genug entfernen können und wärest überwältigt und getötet worden.“
    „Das stand freilich zu erwarten; auch war es nicht so ganz sicher und gewiß, daß Santer der vorderste sein werde. Er konnte die Kiowas nur bis in die Nähe bringen und dann zurückbleiben, um sie die Arbeit machen zu lassen. Darum hielt ich es für das Allerbeste, dich aufzusuchen.“
    „Daran hast du sehr recht getan. Mein Bruder handelt stets so, wie ich handeln würde, wenn ich mich an seiner Stelle befände.“
    „Auch sagte ich mir, daß es geraten sei, zu dir zu gehen, weil wir nun besprechen können,

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