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01 - Winnetou I

01 - Winnetou I

Titel: 01 - Winnetou I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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nicht schaden können. Aber an dem Platz, wo wir uns jetzt befinden, dürfen wir die Nacht nicht zubringen, denn wir müssen mit der Möglichkeit rechnen, daß sie uns hier aufsuchen; das darf ihnen nicht gelingen.“
    „Dann möchten wir uns aber nach einer Stelle begeben, von welcher aus wir, wenn es Tag wird, diesen Schluchtausgang beobachten können.“
    „Ich weiß einen solchen Ort. Meine Brüder mögen ihre Pferde bei den Zügeln nehmen und mir folgen!“
    Wir holten unsere Pferde, welche in der Nähe weideten, und folgten ihm in die Prärie hinaus. Nach einigen hundert Schritten kamen wir an eine größere Baumgruppe, hinter welcher wir wieder Halt machten. Hier konnten wir lagern, ohne von Kiowas, wenn sie es ja noch in dieser Nacht auf uns abgesehen haben sollten, aufgefunden zu werden. Und wenn der Morgen anbrach, lag uns die Schlucht gegenüber, und es war leicht, alles zu beobachten, was etwa dort geschah.
    Die Nacht war ebenso kalt wie die vorigen Nächte; ich wartete, bis mein Pferd sich legte, und lagerte mich dann so an seinen Leib, daß er mich erwärmte. Das Tier lag so ruhig, als wüßte es, welchen Dienst ich von ihm verlangte, und ich wachte bis zum Morgen nur einmal auf.
    Wir kamen, als es hell geworden war, nicht hinter den Bäumen hervor und beobachteten die Schlucht weit über eine Stunde lang. Es regte sich nichts da drüben. Darum hielten wir es nun für angezeigt, nach den Kiowas zu forschen. Für den Fall, daß sie noch da waren, mußten wir vorsichtig sein und uns ihnen heimlich nähern; dies erforderte aber viel Zeit; darum machte ich Winnetou den Vorschlag:
    „Sie sind über die Prärie nach dem Nugget-tsil gekommen und werden den Berg jedenfalls auf denselben Weg verlassen. Warum da mühsam nach ihnen suchen! Wenn wir die Berge bis nach der Stelle umreiten, auf welcher sie dein Späher gestern erblickte, müssen wir unbedingt sehen, ob sie fort sind oder nicht. Warum lange Zeit auf etwas verwenden, was man viel kürzer und mühelos erreichen kann!“
    „Mein Bruder hat das Richtige getroffen. Wir werden nach seinen Worten handeln.“
    Wir stiegen auf unsere Pferde und ritten in einem nach Süden gerichteten und nach Westen ausgebogenen Halbkreis um die Berge.
    Dies war derselbe Weg, nur rückwärts, den die Apachen geritten waren, als wir nach der Spur Santers suchten, nachdem er die Flucht ergriffen hatte. Als wir dann die südlich von dem Nugget-tsil liegende Prärie erreichten, kam es so, wie ich gedacht hatte: Wir sahen zwei große, starke Fährten; die von gestern führte in das Tal hinein, und die von heut nacht kam aus demselben heraus; die Kiowas waren also fort; darüber war kein Zweifel möglich. Trotzdem ritten wir, um ganz sicher zu gehen, in das Tal hinein und untersuchten dasselbe so weit hinter, bis uns auch die dortigen Spuren vollständig überzeugten, daß es von den Kiowas verlassen worden war.
    Nun folgten wir ihrer neuen, von dem Nugget-tsil wegführenden Fährte, welche mit der herbeiführenden zusammenfiel und so scharf ausgeprägt war, daß wir die Absicht, sie uns zu zeigen, gar nicht verkennen konnten. Sie wollten eben, daß wir ihnen folgen sollten, und hatten sich darum selbst an Stellen, an denen sonst keine Spur zurückgeblieben wäre, geradezu Mühe gegeben, deutliche Eindrücke zu hinterlassen. Winnetou ließ ein kleines Lächeln um seine Lippen spielen und sagte:
    „Diese Kiowas sollten uns doch kennen und grad darum ihre Spur verbergen, die wir dennoch entdecken würden. Daß sie dies nicht tun, muß doch unser Mißtrauen erwecken. Sie wollen sehr klug handeln, tun aber das Gegenteil, weil sie kein Gehirn in den Köpfen haben.“
    Er sagte dies so laut, daß es auch der gefangene Kiowa hörte, den wir selbstverständlich noch immer bei uns hatten. Und sich direkt an diesen wendend, fügte er hinzu:
    „Du wirst wahrscheinlich sterben müssen, denn wenn wir Sam Hawkens nicht freibekommen, oder wenn wir erfahren, daß er gequält worden ist, werden wir dich töten; aber falls dies nicht geschieht und wir dir die Freiheit wiedergeben sollten, so sage euern Kriegern, daß sie wie kleine Knaben handeln, welche noch nichts gelernt haben und ausgelacht werden müssen, wenn sie sich als Erwachsene gebärden. Es wird uns nicht einfallen, diesen ihren Spuren weiterzufolgen.“
    Er lenkte diesen Worten gemäß von der nach Südosten führenden Fährte ab, indem er sich grad östlich wendete. Wir befanden uns zwischen dem Quellgebiet des südlichen Canadian

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