Sanft sollst du brennen
1
Es würde einen Aufruhr geben, und der alte Mann bedauerte nur, dass er nicht dabei sein konnte, um ihn mitzuerleben.
Seinen nutzlosen Verwandten sollte es ruhig den Boden unter den Füßen wegziehen. Na, die würden vielleicht übereinander herfallen. Aber es war höchste Zeit, dass in dieser elenden Familie endlich einmal Ordnung einkehrte, wirklich, höchste Zeit.
Während er darauf wartete, dass die Ausrüstung aufgebaut wurde, räumte er seinen Schreibtisch auf. Seine gichtigen Finger strichen so zärtlich und liebevoll über das glatte Holz wie früher über die Haut seiner Geliebten. Der Schreibtisch war alt, verschrammt und abgenutzt wie er. Hier in diesem Zimmer hatte er sein Vermögen gemacht. Mit dem Telefonhörer am Ohr hatte er einen lukrativen Deal nach dem anderen ausgearbeitet. Wie viele Unternehmen hatte er in den vergangenen dreißig Jahren gekauft? Wie viele hatte er zerstört?
Entschlossen riss er sich aus den Tagträumen über seine zahlreichen Siege. Dazu war jetzt keine Zeit. Er trat an seine Bar und schenkte sich ein Glas Wasser aus der Kristallkaraffe ein, die einer seiner Geschäftspartner ihm vor Jahren geschenkt hatte. Noch im Stehen trank er einen Schluck, dann trug er das Glas zum Schreibtisch und stellte es auf einen Untersetzer an der Ecke. Er blickte sich in der holzvertäfelten Bibliothek um und stellte fest, dass es viel zu dunkel für die Kameras war. Rasch schaltete er sämtliche Tischlampen ein.
»Bist du bereit?«, fragte er ungeduldig. Er setzte sich hinter den Schreibtisch, fuhr sich glättend über die Haare und zupfte an den Aufschlägen seines Jacketts. Nervös zerrte er am Knoten seiner Krawatte, damit sie ihm die Kehle nicht so abschnürte. »Ich sammle meine Gedanken«, sagte er mit einer Stimme, die rau war von einem Leben, in dem er Befehle gebrüllt und seine geliebten kubanischen Zigarren geraucht hatte.
Jetzt hätte er auch gerne eine Zigarre gehabt. Aber er hatte keine im Haus. Er hatte das Rauchen vor zehn Jahren aufgegeben, aber wenn ihn etwas nervös machte, verspürte er immer noch den plötzlichen Drang nach einer Zigarre.
Im Moment war er nicht nur nervös, sondern hatte auch ein bisschen Angst, ein Gefühl, das er normalerweise nicht kannte. Bevor er starb – und das würde bald sein, sehr bald –, wollte er unbedingt das Richtige tun. Das war er dem Namen MacKenna schuldig.
Die altmodische Videokamera mit VHS-Kassette stand auf einem Stativ gegenüber dem alten Mann. Die Digitalkamera wurde direkt hinter der Videokamera hochgehalten, und auch ihr Objektiv war auf ihn gerichtet.
Er blickte über die Kameras hinweg. »Ich weiß, du findest, digital reicht, und wahrscheinlich hast du sogar recht, aber mir gefällt es auf die alte Art mit der Videokassette. Ich vertraue diesen flachen DVD-Scheiben nicht und will die Videokassette als Sicherung. Nick einfach mit dem Kopf, wenn alles bereit ist, und dann fange ich an.«
Er ergriff sein Glas, trank einen Schluck und stellte es wieder hin. Die Tabletten, die diese lästigen Ärzte ihm verschrieben, machten seinen Mund trocken.
Ein paar Sekunden später war alles bereit, und er begann.
»Mein Name ist Compton Thomas MacKenna. Dies ist nicht mein Letzter Wille und Testament, weil ich das bereits verfügt habe. Ich habe mein Testament vor einiger Zeit geändert. Das Original liegt in meinem Bankschließfach; eine Kopie befindet sich bei meinen Unterlagen in der Anwaltskanzlei, die mich vertritt, und es gibt noch eine weitere Kopie, die mit absoluter Sicherheit ihr hässliches Haupt erheben wird, wenn das Original und die Kopie des Anwalts aus irgendeinem Grund verloren gehen sollten.
Ich habe niemandem von euch von dem neuen Testament und den Änderungen erzählt, weil ich in meinen letzten Lebensmonaten nicht bedrängt werden wollte. Aber da die Ärzte mir versichert haben, mein Ende sei nahe und sie könnten nichts mehr für mich tun, möchte ich, nein, muss ich«, korrigierte er sich, »erklären, warum ich das so gemacht habe. Auch wenn ich sicher bin, dass ihr es weder verstehen noch gutheißen werdet.
Ich will meine Erklärung mit einer kurzen Geschichte der Familie MacKenna beginnen. Meine Eltern sind in den schottischen Highlands geboren, aufgewachsen und beerdigt worden. Mein Vater besaß ziemlich viel Land, ziemlich viel«, wiederholte er. Er räusperte sich und trank wieder einen Schluck Wasser, bevor er fortfuhr. »Als er starb, ging das Land zu gleichen Teilen an meinen älteren Bruder,
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