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01 - Winnetou I

01 - Winnetou I

Titel: 01 - Winnetou I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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gleich, denn ich war eher dort als sie; aber ich hatte noch nicht lange gewartet, so kamen sie.“
    „Wer? Hast du sie deutlich gesehen und gezählt?“
    „Old Shatterhand war es, mit den beiden andern Weißen und etwas über zehn Indianern.“
    „So befehligt also Winnetou die andere Abteilung, welche das Ende der engen Schlucht besetzt hält.“
    „So ist es. Die Kerls setzten sich nieder. Ich hatte heut so viel gewagt und war glücklich dabei gewesen; darum wagte ich es auch noch, mich ganz nahe an sie hinanzuschleichen, um zu hören, was sie zu einander sagten.“
    „Was sprachen sie?“
    „Nichts. Als ich noch nicht ganz bei ihnen war, unterhielten sich die beiden andern Weißen miteinander, aber nicht laut genug für mich; dann aber, als ich nahe genug war, sie zu verstehen, schwiegen sie. Die Apachen waren still, und auch Old Shatterhand sagte kein Wort. Ich lag so nahe hinter ihm, daß ich ihn beinahe mit der Hand berühren konnte. Wie würde er sich ärgern, wenn er das wüßte!“
    Da hatte Santer sehr recht. Ich ärgerte mich, und wie! Dieser Mensch war wirklich ein ebenso schlauer wie verwegener Kerl! Winnetou und mich zu belauschen, als wir oben bei den Gräbern allein miteinander sprachen! Uns dann bis in die Schlucht zu folgen, unsern Plan vollends zu erraten und endlich gar noch da, wohin ich von Winnetou geschickt wurde, auf uns zu warten! Er hatte hinter mir gelegen, ja, ich hatte ihn sogar schon bei einem Zipfel seines Rockes festgehabt! Das war Pech, außerordentliches Pech, so großes Pech, wie sein Glück heut groß gewesen war! Wenn es mir gelungen wäre, ihn festzuhalten, so hätten, wie ich jetzt weiß, die Ereignisse für mich einen ganz andern Verlauf genommen; vielleicht hätte mein Leben überhaupt eine völlig andere Richtung bekommen. So hängt das Schicksal des Menschen scheinbar oft von einem Augenblick, von einer einzigen, vielleicht gar nicht wichtigen Tat oder Unterlassung oder Begebenheit ab, aber auch nur scheinbar, denn über jedem seiner Kinder wacht der große Weltlenker, ohne dessen Willen keine Sonne sich bewegt und kein Schmetterling von Blüte zu Blüte flattert.
    Bei dem Ärger, den ich empfand, war es wenigstens eine kleine Genugtuung für mich, daß ich jetzt hier so viel erlauschte, während Santer bei uns gar nichts erfahren hatte.
    „So nahe bis du diesem Hund gewesen?“ rief der Kiowa aus. „Warum hast du ihm dein Messer nicht von hinten in das Herz gestoßen?“
    „Konnte mir nicht einfallen!“
    „Warum nicht?“
    „Weil ich dadurch alles verdorben hätte. Welch einen Lärm hätte das gegeben! Die Apachen wären zu Winnetou gerannt, und dieser hätte erfahren, daß sein Plan verraten ist. Da wäre es mir nicht mehr möglich gewesen, ihn zu fangen, und wie wollte ich denn zu den Nuggets kommen, die ich haben muß!“
    „Du wirst sie überhaupt nicht erhalten. Befindet sich Old Shatterhand noch dort, wo du ihn verlassen hast?“
    „Ich hoffe es.“
    „Du hoffst es nur? So ist es also möglich, daß er fort ist? Ich denke, er will auf uns warten!“
    „Das wollte er; aber nun kann es sein, daß er diesen Vorsatz aufgegeben hat.“
    „Welchen Grund könnte er dazu haben?“
    „Er weiß, daß er beobachtet worden ist.“
    „Uff! Wie konnte er es erfahren?“
    „Durch ein Loch, durch ein fatales, verfluchtes Loch, welches sich im Erdboden befand, vielleicht von irgend einem Tier gegraben.“
    „Können Löcher sprechen?“
    „Unter Umständen, ja. Dieses wenigstens hat gesprochen. Ich wollte mich fortschleichen und drehte mich um. Dabei mußte ich das Körpergewicht auf die Hände legen und brach mit der Rechten durch den weichen Boden in ein darunter befindliches Loch, wobei ein Geräusch entstand, welches Old Shatterhand hörte. Er drehte sich augenblicklich um und muß mich gesehen haben, denn als ich nun schnell aufsprang und fort wollte, war er ebenso rasch auf und hinter mir her. Beinahe hätte er mich erwischt, denn er ergriff meinen Rock; ich riß mich aber los und huschte nach der Seite. Er rief zwar, daß ich stehen bleiben solle, sonst werde er schießen, doch fiel es mir natürlich nicht ein, diese Dummheit zu begehen. Ich machte mich im Gegenteil noch tiefer in den Wald hinein, wo mir das Dunkel Sicherheit gewährte, und setzte mich da nieder, um zu warten, bis ich ohne Gefahr weiter konnte.“
    „Was taten seine Leute?“
    „Sie wollten wahrscheinlich mit nach mir suchen; aber er verbot es ihnen. Er befahl ihnen, bis zu seiner

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